Fremde Heimat Zagreb
Eine europäische "metropola"
Ein Semester in Kroatiens Hauptstadt Zagreb. Studieren, leben. Wie viele meiner deutschen Gewohnheiten würde ich wohl ablegen können?! Oder müssen?! Wie leicht würde mir, einer in Deutschland aufgewachsenen Kroatin, das Leben dort fallen? Ich fuhr nicht zum ersten Mal nach Kroatien und nach Zagreb. Als Kind kroatischer Gastarbeiter war mein Sommer von dem gleichen Muster geprägt, wie von dem anderer Gastarbeiterkinder.
Der obligatorische Sommerurlaub, viereinhalb bis sechs Wochen lang im Land der Tanten, Onkel und Großeltern. Doch jetzt war es anders! Ich sollte als Erwachsene in der alten, neuen Heimat meiner Eltern leben und studieren. Zagreb ist mit einer Million Einwohnern nicht überwältigend groß. Der Einfluss der österreichischen KuK-Monarchie verleiht der Altstadt einen verträumten Charme. Die alten Straßenbahnwagen aus den sozialistischen 70er Jahren und die älteren Damen, die das Haus niemals ohne Hut und Spitzenhandschuhe verlassen, tragen dazu bei.
Nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten (in die falsche Straßenbahn einsteigen, aus der richtigen zu spät aussteigen...) durfte ich mein neues Zuhause beziehen. Das heißt, nachdem ich endlich, während es aus Kübeln goss, den Wohnheimportier gefunden hatte. Das Experiment „Ausländer kommt nach Hause“ konnte beginnen.
Als einer Quasi-Einheimischen blieb mir der Bürokratie-Albtraum, der „echte“ Ausländer erwartet, dennoch nicht ganz erspart. Drei Tage lang war ich unterwegs, um Unterschriften, Stempel und Formulare zu sammeln und auszufüllen, verlor in Verwaltungssackgassen beinahe die Nerven, wenn man mir die eine Unterschrift nicht ohne einen bestimmten Stempel geben wollte, diesen Stempel man jedoch nur mit dieser bestimmten Unterschrift bekam. Meine österreichischen Kommilitoninnen waren sogar eine ganze Woche unterwegs.
*The place to be*
Die Kroaten nennen ihre Hauptstadt liebevoll „metropola“. Zagreb ist in vielerlei Hinsicht Zentrum. Von dort kommt alles, dahin geht alles. Als Student möchte man dort studieren, als bildender Künstler unbedingt eine Ausstellung machen und als Musiker gehört es zum ehrenvollen Pflichtprogramm, auf dem zentralen Platz in der Innenstadt, dem „Trg Bana Jelacica“ (Platz des Ban Jelacic), ein Konzert zu geben. Neu im Straßenbild Zagrebs sind die Punks, und auch die HipHop-Kultur wird jetzt offen gezeigt. Alles tendiert nach Westen, fast alle mit Hochschulabschluss gehen in die USA, in die Schweiz, nach Skandinavien oder nach Deutschland. Wer nach dem Studium im Land bleibt, den erwarten als Akademiker bescheidene 700 Euro Durchschnittsgehalt und Aufstiegschancen nur für den, der gute Beziehungen hat. Vor allem die Studentinnen und Studenten hoffen auf einen Beitritt zur EU, sagen aber auch nüchtern, Kroatien sei noch nicht reif dafür. EU-Gegner (besonders die einfachen Leute) halten lautstark dagegen, dass man sich durch einen Beitritt schon wieder einer fremden Führung unterwerfe, die so ein kleines Land dann einfach erdrücke. Die Erinnerung an Jugoslawien ist noch immer präsent.
Wer nicht im Studentenwohnheim wohnt - das tun nur die, die aus einer anderen Stadt kommen - lebt bei seinen Eltern. Das Geld fehlt, um früh flügge zu werden. Dennoch haben sich die Studenten den Gegebenheiten angepasst, und auch die Stadt passt sich seiner zukünftigen Bildungselite an. Die Speisesäle für Studierende bieten einen Rundum-Service, Frühstück, Mittag- und Abendessen, und das Menü zu Mittag kostet umgerechnet einen Euro, schmeckt aber wie für fünf!
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Autorin / Autor: Anita Milardovic - Stand: 17. Februar 2004