Oh Mann!
Plan International hat Männer zwischen 18- bis 35 dazu befragt, wie "Männlichkeit in Deutschland gelebt wird". Einige Ergebnisse geben zu denken, sind aber auch hinterfragenswert.
Wie leben Männer in Deutschland ihre Männlichkeit? Wie definieren sie ihre Rollen, wie bereit sind sie, Gefühl zu zeigen? Wie stehen sie zur Gewalt, zu Rollenaufteilung in Beziehungen, zu Homosexualität? Das waren Fragen in einer repräsentativen Befragung von Plan International, einer NGO, die sich weltweit für die Rechte von Mädchen und jungen Frauen einsetzt. Weil Geschlechtergerechtigkeit nur durch das Einbeziehen von Jungen und Männern erreicht werden kann, wollte die Organisation wissen, wie die jungen Männer denn so ticken und was sie eigentlich unter Männlichkeit verstehen. Befragt wurden vom 9. bis zum 21. März 2023 in einer Online-Befragung 1.000 Männer und 1.000 Frauen.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Gefühle lieber nicht zeigen
Mit 71 Prozent der befragten jungen Männer sind erschreckend viele überzeugt, persönliche Probleme selbst lösen zu müssen, ohne um Hilfe zu bitten. Die Hälfte der Befragten ist der Überzeugung, sie sei schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigt. Dabei ist es der knappen Mehrheit (53 Prozent) unangenehm, über ihre Gefühle zu sprechen. Dabei geben aber 63 Prozent an, dass sie sich in ihrem Inneren manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen.
Erscheinungsbild - ein "echter Mann"
Nicht nur Frauen müssen einem vermeintlichen Ideal genügen. Auch die jungen Männer unternehmen mit 59 Prozent mehrheitlich Anstrengungen, um einen sportlichen und muskulösen Körper zu haben. 55 Prozent stimmen der Aussage zu, mit ihrem Äußeren und ihrem Auftreten zu zeigen, dass sie ein echter Mann sind.
48 Prozent der Befragten fühlen sich gestört, wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen. 42 Prozent sagen, dass Männer, die verweichlicht oder feminin auf sie wirken, „schon mal einen Spruch“ von ihnen abkriegen.
Risiko und Wettbewerb: Trinken, schnell fahren und sich messen
Der Drang sich mit anderen zu messen, ist weit verbreitet. 63 Prozent der jungen Männer geben an, dass sie sich anstrengen würden, um unter den Besten zu sein. Dazu gehört offenbar auch schneller Fahren und viel Alkohol: 43 Prozent sagen, sie fahren gern draufgängerisch und schnell Auto, 42 Prozent geben an, manchmal so viel zu trinken, dass sie nicht mehr wissen, was sie angestellt haben.
Rollenverteilung: Mann schafft Geld ran, Frau schmeißt den Haushalt?
Auch wenn manchmal der Eindruck entsteht, die Rollenbilder in heterosexuellen Beziehungen hätten sich modernisiert, herrscht bei der Hälfte der befragten Männer die Meinung vor, sie seien für das Haushaltseinkommen zuständig, während die Frauen für die Hausarbeit verantwortlich seien. 49 Prozent sind der Ansicht, sie müssten bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort haben, 39 Prozent wünschen sich von ihren Partnerinnen, dass sie ihre eigenen Wünsche zurückstellen, um dem Mann den Rücken freizuhalten. Darum sind auch nur 41 Prozent bereit, länger als ein paar Wochen in Elternzeit zu gehen.
Hinterherpfeifen als gutes Recht?
In Sachen Sexualität zeigt sich eine merkwürdige Doppelmoral. 37 Prozent finden es attraktiv, mit möglichst vielen Frauen zu schlafen, aber 50 % möchten keine Beziehung zu einer Frau, die schon viele sexuelle Kontakte hatte. 41 Prozent empfinden es als ihr gutes Recht, Frauen Komplimente zu machen, ihnen nachzuschauen und hinterherzupfeifen.
Respekt durch Gewalt? Einem Drittel "rutscht schon mal die Hand aus"
Am schockierendsten sind vielleicht die Einstellungen zur Gewalt. Mehr als ein Drittel der befragten Männer (34 Prozent) gibt an, dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen "Respekt einzuflößen".
Für jeden dritten Mann (33 Prozent) ist es akzeptabel, wenn ihm bei einem Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.
Bleibt das jetzt so?
Mit 88 Prozent ist die Mehrheit der befragten Männer mit sich und ihrem Männerbild im Reinen und glaubt, so zu sein, wie ein Mann sein sollte. Zugleich empfinden 95 Prozent der befragten Männer Veränderungsdruck. 54 Prozent der Befragten sind bereit, sich aufgrund dieses Drucks weiterzuentwickeln. 38 Prozent möchten diesbezüglich hingegen in Ruhe gelassen werden.
Und was sagen die Frauen?
77 Prozent der befragten Frauen haben offenbar ziemlich andere Ansprüche an Männer als diese selbst. Sie finden, dass jeder Mann inzwischen wissen sollte, welches Verhalten in Sachen Gleichberechtigung von ihm erwartet wird. Jede Vierte (25 Prozent) fordert deshalb von Männern den Verzicht auf (Macht-)Privilegien. Ein bisschen leid tun die Männer den Frauen aber auch: 26 Prozent finden nämlich, dass es Männer schwer haben, ihre (neue) Rolle zu finden, und 21 Prozent sind der Ansicht, dass es notwendig und wichtig sei, ihnen dabei zu helfen.
Kritik an der Studie
Die Ergebnisse sind schockierend und haben dementsprechend in den Medien ein großes Echo und auch viel Bestürzung ausgelöst. Nun gibt es allerdings auch Kritik an der Studie. Es wird bemängelt, dass die Methodik nicht ausreichend beschrieben wurde. Die Umfrage ist zwar repräsentativ, aber Online-Befragungen können auch Verzerrungen verursachen, schließlich ist es ein spezielles Publikum, das sich an Online-Befragungen beteiligt.
Das sollte zwar niemanden beruhigen, denn jede einzelne Person, die Gewalt gegen Frauen akzeptabel findet, ist eine zu viel. Dennoch bilden die Zahlen nicht zwangsläufig die Realität ab und sollten mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Presseinformation - Stand: 13. Juni 2023