Neues Selina-Video zu hart?
Das Video zur Single "Verdammt am Leben" darf tagsüber nicht mehr im Fernsehen laufen
Die junge Sängerin und Schauspielerin Selina Shirin Müller, Hauptdarstellerin aus dem Kinofilm „Freche Mädchen“ setzt sich auf ihrer neuen Single "Verdammt am Leben" mit einem heiklen Thema auseinander: Selbstverletzendes Verhalten - dem sogenannten "Ritzen". Die junge Künstlerin spricht mit ihren Textzeilen ein gesellschaftliches Tabuthema an: "Sie fühlt sich nur, wenn es schmerzt, sonst kommt nichts an sie ran. Sie spürt sich nur, wenn es schmerzt, wenn die Klinge sie berührt."
Das Video auf der Selina-Seite
Tagsüber zu hart
Entsprechend eindringlich setzt die 15-jährige Selina die Problematik auch visuell in ihrem neuen Video um. Im Tagesprogramm der Video Kanäle wartet man nun allerdings vergeblich auf das Video, denn die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) stuft das Video als zu hart für junge Zuschauer ein. Selina selbst schildert ihre Motivation so: "Das Thema liegt mir sehr am Herzen, weil das Ritzen unter Teenagern weit verbreitet ist und ich selbst betroffen war. Ich will dadurch aufklären und die Existenz des Themas ansprechen und ernst nehmen."
Die Begründung
LizzyNet fragte bei Frau Mikat von der FSF nach: Warum wurde das Video gesperrt?
Im Prüfgutachten der FSF heißt es: "Im Prüfantrag des Senders steht, die Texte der jungen Sängerin Selina widmeten sich „vor allem den Problemen, die Mädchen ihres jugendlichen Alters beschäftigen“. Und weiter heißt es, Selina dürfte „nicht nur als Sängerin, sondern auch als Persönlichkeit für eine Vielzahl junger Mädchen als Vorbild dienen“. Gerade dieses hohe Identifikationspotenzial der Sängerin ist für den Prüfausschuss wesentlicher Anlass, den Clip für das Tagesprogramm abzulehnen. Selina singt, als wäre sie das junge Mädchen, das genug hat vom Leben und sich von allem zurückzieht. Sie kennt nur ein einziges Mittel, authentische Gefühle zu erleben: Sie muss sich Schmerzen zufügen und dies gelingt ihr am besten über das Ritzen. Diese fatale Konsequenz wird mittels dichter und suggestiver Bild-Text-Präsentation umgesetzt."
*LizzyNet: Welche Szenen sind besonders auf Kritik gestoßen?*
Dazu sagt das Gutachten: "Die Kamera schwelgt über die geritzten, blutigen Körperpartien als wäre es eine Werbung für Hautcreme. Man sieht das Ritzen zwar selbst nicht und die Schnitte wirken zunächst wie Schrift auf der Haut. Vor allem der Text jedoch in Verbindung mit der Bildästhetik verherrlicht das Ritzen. Text und Bilder sind wie ein Sog, in den es Mädchen mit ca. 12 Jahren, die zur gefährdeten Altersgruppe zählen, hineinzieht. Es wird ein Bezug zur Lebensrealität dieser Mädchen hergestellt, die dahinter stehenden Probleme aber ästhetisiert. Es hört und sieht sich deshalb wie eine Empfehlung zur Nachahmung an, zumal der Text keinerlei Distanz zum Ritzen bietet und Ausweglosigkeit propagiert. Neben der Gefahr der Identifizierung und möglichen Nachahmung eines bewunderten Vorbilds sieht der Prüfausschuss in der ungebrochenen, distanzlosen Bild-Text-Ästhetik eine Verherrlichung, Verniedlichung und Verharmlosung des Ritzens und der dahinter stehenden psychischen Probleme – das Ritzen wird quasi als selbstverständliche Handlung dargestellt. Ritzen gilt aber als selbstzerstörerischer Akt junger Mädchen in der Folge einer ernsthaften psychischen Erkrankung. Es ist keine modische Attitüde, die zeitweise wie eine trendige Klamotte getragen wird."
*Ist es nicht wichtig, dieses Thema unter Jugendlichen diskutieren zu lassen?*
Auf jeden Fall. Bei einer Platzierung im Tagesprogramm müssen wir allerdings von einer Zuschauergruppe unter 12 Jahren ausgehen. Hier wird der Ausschuss der Auffassung gewesen sein, dass jüngere Kinder sich weniger von den Bildern distanzieren können und deshalb der oben unterstellten verherrlichenden Wirkung eher unterliegen könnten. Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren wird dagegen zugetraut, den Clip ohne Schaden zu verarbeiten, die Inhalte einzuordnen und nicht unhinterfragt zu übernehmen.
*LizzyNet: Darf das Video denn im Internet gezeigt werden?*
Ja, aber wie im Fernsehen erst ab 20.00 Uhr. Im Prinzip gelten für das Fernsehen und das Internet dieselben Regeln. Neben der Sendezeitbeschränkung besteht auch die Möglichkeit, ein Programm technisch zu sperren oder zu verschlüsseln. In jedem Fall muss der Anbieter gewährleisten, dass Altersgruppen, für die ein Programm entwicklungsbeeinträchtigend sein könnte, dieses Programm üblicherweise nicht wahrnehmen können. Der Antragsteller MTV wird in diesem Fall also den Clip im Internet erst ab 20.00 Uhr freischalten. Wie für das Fernsehen wacht über die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen die KJM (Kommission für Jugendmedienschutz). Wird aber das Internetangebot nicht im Zugriffsfeld deutscher Gerichtsbarkeit betrieben (z.B. Youtube, mit Geschäftssitz in Kalifornien) kann auch die KJM nichts dagegen tun.
*LizzyNet: Vielen Dank für das Interview!*
Statement von Walter Stauffer (Bundesprüfstelle)
Meine Meinung: Das Video ist nicht zu hart – ab 12! Es ist ja kein Werbefilm fürs Ritzen, sondern ein Ruf nach Zuwendung. „Ich will wissen, dass ich geliebt werde.“ Und sie will nicht Schluss machen, sondern träumt sich nur weg, denn sie ist verdammt am Leben. Kein Todes-, sondern ein Lebenszeichen - beste Basis, was zum Positiven zu verändern.
Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion - Stand: 4. November 2008