Aussehen wie Bill
Elli will aussehen wie Bill und hofft, von ihrem Vorbild dann bemerkt zu werden. Ihre Mutter ist davon genervt.
Seit Wochen zerbricht sich Elli (13) schon den Kopf darüber, was sie anziehen, wie sie sich schminken und wie sie ihre Haare tragen soll. "Am liebsten würde ich mir die gleiche Frisur machen wie Bill", erzählt sie. Sie meint den Sänger der Band Tokio Hotel, die am kommenden Wochenende in Bremen auftritt. Ihre Mutter findet die Frisuridee gar nicht gut. Denn statt brauner Naturlocken wären dann wilde schwarze Haare mit blondierten Strähnen angesagt, um die Mischung aus androgynem Manga-Look und Achtziger-Jahre Nena-Style perfekt zu machen. "Das kommt gar nicht in Frage", meint Mutter Anja. Die Mama ist genervt. Denn der Fankult von Elli geht ihr viel zu weit.
*Tokio Hotel - so weit das Auge reicht*
Das ganze Zimmer hat Elli mit Tokio Hotel-Postern plakatiert. Und überhaupt findet in Ellis Leben seit Monaten kaum etwas anderes statt als Tokio Hotel. Mit ihrer besten Freundin Paula (12) stöbert Elli stundenlang in der BRAVO, surft durch die Tokio-Hotel-Fanforen oder malt sich aus, wie es wohl sein könnte, ihren Idolen mal ganz nah zu sein. "Bill ist mit Abstand der Coolste!", das ist für die Mädchen ganz klar. Irgendwann mal wollen die beiden mal einen Freund haben, der so sein sollte wie Bill. Aber am liebsten wäre es ihnen natürlich, den Frontmann der Teenieband zu treffen. Und dafür, das ist ganz klar, muss man sich schon ein bisschen Mühe geben. "So aussehen wie jedes andere Mädchen - das bringt nichts. Damit fällt man den Jungs gar nicht auf!", ist sich Elli sicher. Am liebsten würde sie sich komplett umstylen lassen. Nur Mama - die zickt rum. "Voll uncool und altmodisch", findet Elli das.
Nach dem Stress ab ins Netz
Und darum streiten die allein erziehende Mutter und ihre Tokio-Hotel-verrückte Tochter seit Wochen. Elli möchte so aussehen wie ihr Star, will auch so düster und auffällig geschminkt sein. Die Mutter ist genervt und hat allenfalls etwas Wimperntusche erlaubt. Auch Ellis Konzert-Outfit steht zur Diskussion: Ein kurzer Mini und das rot-schwarz-geringelte Tokio-Hotel-Shirt sollen es sein. "Aber meine Mutter findet den Rock zu kurz, dabei tragen das alle", klagt Elli."Mit 13 Jahren muss es kein Mini sein", erklärt die Mama seufzend und ist mit ihrem Latein am Ende. Rat und Beistand finden Mutter und Tochter im Internet. Während sich Mama Anja in einem Elternforum mit anderen Teenager-Eltern austauscht, sucht sich Elli Verbündete auf der Tokio-Hotel-Fanseite. Dort hat sie auch erfahren, dass sie nicht die einzige ist, die aussehen möchte wie Bill. Etwa die 16-jährige Sally aus Plauen in Sachsen hatte ein echtes Problem, als der Popstar Anfang letzten Jahres seine Frisur änderte. Bis dahin trugen der Sänger und Fan Sally einen schwarzen Stachelhaarschnitt mit langem Pony im Gesicht. Und was verspricht sich Elli davon, den haargenau gleichen Haarschnitt wie ihr Star zu haben? "Bill sieht einfach superstylisch aus", sagt das Mädchen. Kurzum: Sie ist eben ein echter Fan.
*Locker bleiben - sagt die Expertin*
Anne Loschky von der Bremer Erziehungsberatungsstelle kennt das: "Teenager sind auf der Suche nach ihrer Identität. Dabei orientieren sie sich an Idolen." Fast wie besessen einen Star zu verehren, das Zimmer mit Postern zu tapezieren, sich Träumereien hinzugeben und auch die Mode des Stars zu imitieren, sei in der Pubertät völlig normal. Die Eltern sollten sich an ihre eigene Teeniezeit erinnern und locker bleiben - aber auch wachsam. Wenn wegen dem Fankult die Schule vernachlässigt wird oder die Gefahr gegeben ist, dass die Jugendlichen in eine Traumwelt abdriften, dann sollten Eltern das Gespräch suchen. Generell rät die Erziehungsexpertin, im Dialog mit ihren Kindern zu bleiben und Kompromisse auszuhandeln. Loschky: "Hinter den Wünschen der Jugendlichen steht das Bestreben, eigene Entscheidungen zu treffen. Das sollte man ernst nehmen." Trotzdem sollten die Eltern ihre guten Gründe verteidigen. Ellis Mutter konnte ihre Tochter mittlerweile davon überzeugen, dass der verrückte Haarschnitt des Tokio-Hotel-Sängers dem Mädchen nicht stehen würde. Dafür darf Elli sich aber helle Strähnen färben und den Minirock zum Konzert anziehen. Elli findet den Kompromiss richtig gut. Den hat sie mit ihrer Mama bei einer Colapause bei einer gemeinsamen Shopping-Tour ausgehandelt. "Meine Mama hat mich richtig ernst genommen. Und sie hat auch gesagt, dass Tokio Hotel echt gute Musik machen", erzählt Elli stolz. Und Mama Anja fügt hinzu: "Ja, die Musik ist echt toll. Und ich muss Ellis Fankult einfach nicht so verbissen sehen." Fest steht jetzt: Mama wird Elli und ihre Freundin Paula zum nächsten Konzert bringen. Und vielleicht fällt dann ja Mama Anja dem Tokio-Hotel-Frontmann auf - zwischen all den Teenies, die auch so aussehen wie Elli und Bill? ;-)
Autorin / Autor: Tina Groll - Stand: 17. September 2007