Celina stützte ihren Kopf auf einer Hand ab, während sie mit der anderen durch ihr plasmaartiges Haar fuhr und auf die Berechnungen des Quantencomputers wartete. Das Tuscheln, das von allen Seiten zu kommen schien, hatte sie schon vor einer langen Zeit aufgehört zu beachten; es würde nie aufhören. Denn ihre Existenz war verflucht, noch bevor sie begonnen hatte.
Vor mehreren hundert Jahren wurde das besiegelt, als die Menschen in ihrer Verzweiflung ein Signal in die Weiten des Weltalls schickten. Alle verfügbaren Ressourcen waren aufgebraucht. Zwar war es auch damals schon möglich, alternative Energien und Versorgungsstoffe zu nutzen, doch genügten diese nicht, um den immer größer werdenden Energieverbrauch zu decken. So erreichten sie die Rivia, eine andere intelligente Lebensform. Aber anstatt zusammen zu arbeiten, taten die Spezies, was sie immer taten. Sie führten Krieg.
Die Rivia schlachteten die Menschen ab und die Menschen ließen jeden Rivia hinrichten, den sie in die Finger bekamen. Deshalb war Celina eine Waise. Denn sie war beides, Rivia und Mensch. Ihre Mutter verliebte sich in den Feind und beide starben dafür. Celinas Leben war nie leicht gewesen. Alle hassten sie. Was den anderen Kindern in ihrem Alter geschenkt wurde, musste sie sich erkämpfen. Zwar hatte sie bei den Menschen wenigstens das Recht auf Leben, doch hätte sie es nie aus den Slums geschafft, wenn Dr. Parr sie nicht entdeckt hätte. Die schrumpelige, alte Frau sah weder ihre glitzernde Haut, noch ihre gummiartigen Haare, sondern Celina. Ein starkes, aufgewecktes Mädchen, das so viel verändern könnte.
Als sie Celinas unglaubliche Talente erkannte, nahm sie sich des Mädchens an. Zusätzlich zu dem Studium, beschaffte Dr. Parr ihr einen Platz auf der größten Energie-Forschungsstation der Menschheit.
Was sie zu der jetzigen Situation führte.
Denn Celina hatte eine Idee. Was wäre, wenn man die Energie von schwarzen Löchern nutzen könnte? Sie verschluckten ganze Sonnensysteme, also wo war die gesamte Energie? Es hatte sie schließlich niemand aufgegessen.
„Ich bin zwar begeistert von deiner Theorie, doch ich weiß immer noch nicht, wie du vorhast, dich einem schwarzen Loch zu nähren und lebend wieder zurückzukehren.“ Ihre Professorin sah sie prüfend an. Celina schluckte, erwiderte aber nichts.
Sich setzend sagte Parr freundlich: „Mädchen, du bist einer der brillantesten Köpfe, die ich je getroffen habe, aber diese Sache kannst du nicht allein machen. Gerade du brauchst jeden Verbündeten, den du finden kannst, also schließ mich nicht aus, ich will dir nur helfen. Rede mit mir!“
Celina wusste natürlich, dass die Frau recht hatte, doch es wurmte sie. Wahrscheinlich war es falscher Stolz, doch sie wollte es unbedingt allein schaffen und der Welt beweisen, dass sie falsch lag.
Eine Antwort wurde ihr erspart. Das Pling ihres Computers riss sie aus ihren Gedanken. Müde scrollte sie durch die neuen Berechnungen und erwartete, das rote X zu sehen, welches sie verspotten würde. Doch das X war nicht rot, es war leuchtend grün. Celina zitterte, denn das bedeutete, dass sie recht hatte. Auch Dr. Parr schien es bemerkt zu haben, denn sie lehnte sich nach vorne und flüsterte: „Was ist das, Mädchen?“
Celina brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln, bevor sie sich ihrer Gönnerin zuwandte: „Das ist die Lösung all unserer Probleme. Es funktioniert!“
Sie sprang von ihrem Stuhl auf, die Blicke aller im Raum waren auf sie gerichtet, doch das war ihr egal. Sollten sie sie sehen in dem Moment ihres Triumpfes, ein Erfolg, den keiner dieser privilegierten Kinder sich jemals erkaufen konnte.
Nachdem die ältere Frau sich die Computerergebnisse angesehen hatte, durchbrach sie die Blase ihrer Freude, indem sie sagte: „Du hast recht Mädchen, aber wie sollen wir denn bitte so nah an ein Schwarzes Loch herankommen?“ Die alte Frau guckte sie prüfend an.
Celina erschauderte, denn das brachte sie zu dem Hauptproblem ihrer Arbeit. Sie packte die Halbaußerirdische am Handgelenk und zog sie in ihr Büro.
In dem Moment, als sich die Tür schloss, wurde von ihr erwartet, sich zu erklären, dazu musste Celina nicht aufgefordert werden. Sie schaffte es nicht, der älteren Frau in die Augen zu gucken, als sie leise sagte: „Zu Beginn meiner Forschungen, erkannte ich, dass wir niemals nah genug an ein Schwarzes Loch herankommen könnten, ohne zu sterben. Zwar können sich die Menschen mittlerweile gegen vieles schützen, doch man würde von der Gravitation zerrissen werden. Aber dann ist mir ein Gedanke gekommen: Was, wenn man dieses „Problem“ umgehen könnte, was, wenn alle Moleküle auf einmal in die Gravitation eintauchen würden und somit kein Schaden entstehen würde.“
Parr unterbrach sie: „Du meinst, was, wenn wir uns mit unserem Feind zusammentun, um den Grund für den Krieg zu beseitigen, damit nicht nur die Krise, sondern auch das Töten endet?“
Celina nickte, denn die Menschen waren zwar technisch überlegen, doch hatten die Rivia andere Fähigkeiten. Sie konnten die Dimensionalität von Dingen verändern. Eine Waffe gegen die Menschen, wenn aus einem ein zweidimensionales Blatt wurde. Doch wenn sie etwas auf eine eindimensionale Ebene und wieder zurückbringen würden, könnte man in schwarze Löcher eintauchen, die Energie extrahieren und nutzbar machen. Die Rivia konnten nur sich selbst nicht verändern. Celina war diese Fähigkeit leider nicht vererbt worden. In ihrer Gleichung brauchten die Menschen die Rivia und umgekehrt. Welche Ironie!
Nach dieser Auflösung wurde es still. Sie wusste, dass Parr ihr vertraute, nur Zeit brauchte, damit um zu gehen. Schließlich stand sie auf: „Ich werde deine Idee dem Rat vorstellen. Erwarte nur nicht zu viel, denn es geht schon längst um mehr als nur Energie in diesem Krieg.“
Celina nickte, als Parr fortfuhr: „Selbst, wenn sie zustimmen, wird das Programm auf großen Gegenwind stoßen und du wirst noch gefährdeter sein.“
Celina nickte wieder.
Bevor Parr den Raum verließ, drehte sie sich um: „Ich bin stolz auf dich, meine kleine Kämpferin.“
Denn das war Celina, seit ihrer Geburt und sie würde es immer sein.
Sie würde für die Zukunft kämpfen.