Im Universum sind wir bedeutungslos

Wettbewerbsbeitrag von Nils Ritzert, 21 Jahre

“Die Menschheit ist schon seit dem Mittelalter von Dunkler Materie fasziniert. Alte Schriften beweisen die Suche nach einer damals im Universum noch unbekannten Energie. Kein Wissenschaftler konnte erklären, woher sie kam. Sie wurde deshalb als Magie abgestempelt. Die Forschung nach diesem ominösen Etwas im Universum wurde kläglich aufgegeben und als Mysterium bis an meine Generation weitergegeben.” […] “Es droht eine schreckliche Umweltkatastrophe. Wir müssen umdenken. Wir sind hoffnungslos auf der Suche nach Überleben. Nach neuer Technologie, die die Menschheit vor sich selbst retten wird. Nach einem Wunder. Ist Dunkle Materie vielleicht die Lösung unser aller Probleme?”

Das Tagebuch meines Großvaters ist der Kompass in meinem Leben. Langeweile hatte mich als Kind immer wieder ins Dachgeschoss auf Schatzsuche gebracht. Einzelkind zu sein war nicht einfach für mich. Ich rede mir gerne ein, dass der Zufall mich bewusst zu diesem Buch geführt hatte. Seit meinem wertvollen Fund war mir klar, dass ich Astronautin werden wollte. Er hatte all seine Gedanken, Geschichten und Skizzen darin festgehalten. Seine Faszination für den mächtigen Weltraum packte mich und brachte mich bis zur Verwirklichung meines Traums. Dieser Eintrag gibt mir einen Sinn und erinnert mich immer wieder daran, warum ich diese Entscheidung getroffen hatte.

Der Name Thomas Hardley ist heute in der ganzen Welt bekannt. Wie Newton und Darwin, ist er einer der wenigen Wissenschaftler, die die Welt radikal veränderten. Im Jahr 2541 weiß man nun, dass dunkle Materie eine unerschöpfliche Energie-Quelle ist. Wind- und Solartechnologie wurden aufgegeben. Der Schrott in den Ozeanen wird immer geringer. Wälder wachsen nach und neue Tierarten entstehen. Menschen und Natur sind wieder im Einklang. Wie mein Großvater damals vorausgesehen hatte, rettete es die Menschheit. Mit Hardley entstanden außerdem neue Technologien. Es wurde bewiesen, jedoch viel bestritten, dass das Weltall tatsächlich eine Grenze hat und die Theorie eines Multiversums wurde mehrfach bestätigt. Die Forschung um schwarze Löcher hat einen riesigen Sprung gemacht. Professoren meinen, durch sie schon bald Zeitreisen zu ermöglichen. Was für Risiken die Ausbeutung dieser neuen Energie mit sich bringt ist noch unbekannt. Eines ist jedoch bekannt, sie hält die Menschheit am Leben. Um die fatalen Folgen wird sich, wie schon in der Vergangenheit üblich, erst später gekümmert.
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03:23 Uhr. Das Telefon reißt den französischen Präsidenten aus dem Schlaf. Eine Nachricht von höchster Priorität, Stufe 10. Streng geheim. Die Kommunikation ist verschlüsselt. Am anderen Ende der Leitung ist ein Professor, zuständig für das Observatorium in Paris. Astronomen haben eine aufregende Entdeckung gemacht, die die Welt ein weiteres Mal verändern wird. Die Situation wird in wenigen Minuten erläutert und die Konversation ist schnell beendet. Sofort wählt der Präsident eine neue Nummer. In Deutschland führen die Neuigkeiten zu Entsetzen. “Was passiert, wenn diese Entdeckungen in die falschen Hände gerät?”
Mathematiker und Physiker werden zu einem geheimen Komitee herbeigerufen, um mit Berechnungen die Entstehung der Entdeckung zu verstehen. Leider kommen die Professoren nur auf Theorien. Mit strengen Diskussionen versuchen sie eine Lösung zu dieser Anomalie zu finden. Keine Berechnungen ergeben Sinn. Doch die Fakten sind klar und sind es wert, genauer erforscht zu werden. Während die ganze Welt sorgenlos schläft und andere von zuhause fliehen, zerbrechen sich Geheimdienste, Professoren und Regierungen den Kopf, eine Erklärung für diesen mysteriösen neu entstandenen Sternenstaub zu finden. 06:00 Uhr. Eine Rakete wird startklar gemacht. Vier erfahrene Astronauten werden in den Weltraum geschickt, um mehr Informationen zu beschaffen.
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Der Start der Rakete zermatscht meinen gesamten Körper, ich kann kaum noch nach Luft schnappen und ich merke, wie mein Blickfeld kleiner wird, als würde ich plötzlich nur das Ende eines Tunnels sehen. Ein lautes Fiepsen fährt meine Aufmerksamkeit wieder hoch. Ich hatte das Bewusstsein verloren, trotz ewiger Übung. Das passiert jedem. Ich habe wenig gefrühstückt. Sofort mache ich mich auf den Weg in die Dunkelheit, um das Mysterium zu untersuchen. Meine Kollegen können meinen Anblick bestätigen. Es ist eine Art Spiegeldimension. Je mehr ich in sie hineinsehe, desto mehr Antworten kommen auf mich zugeflogen. Plötzlich ist alles selbstverständlich. Dunkle Materie ist das Element, das das Universum zusammenhält. Vor meinen Augen ist ein wachsender Riss im Gewebe des Multiversums. Das Ergebnis der Schöpfung dieser Energie. Ein bezaubernder und katastrophaler Anblick zugleich. Bevor wir diese Nachricht an die Erde senden können, platzt der Riss, wie ein Spiegel, der in tausend Scherben bricht. Es entsteht ein Gravitationsfeld, welches uns samt Raumschiff aufsaugt und uns in eine neue Dimension schleust, uns gefangen hält, in einem neuen unbekannten Weltraum.

Von oben ist alles so wunderschön. Auf einmal haben die imposanten Planeten ganz andere Farben. Die meisten können sich gar nicht vorstellen, wie das ist. Im Leeren zu schweben, sich in der Dunkelheit zu verlieren. Man bemerkt plötzlich, dass man lediglich ein winziger Teil des Universums ist. Auf einmal fühlt man sich nicht mehr wie das überlegene Wesen. Auf einmal ist man nur Staub. Die Sterne sind zum Greifen nahe und dennoch tausende von Lichtjahren entfernt. Man realisiert, dass man in dieser Unendlichkeit keine Bedeutung hat. Dass jeder große Schritt für die Menschheit gleich ihrer fortschreitenden Vernichtung ist. Wir denken, wir haben den Weltraum erobert. Wir mögen die strengen Regeln der Physik entdeckt und sie in Formeln aufgefasst haben. Doch letztendlich sind wir diesen Gesetzen unterworfen und in der endlichen Grenzenlosigkeit des Universums nur ein unbedeutender Teil dessen Geschichte. Die grenzenlose Leere, die herrliche Dunkelheit. Wenn einem der Sauerstoff ausgeht, ist man hilflos. Niemand wird zur Hilfe kommen. Im Universum sind wir bedeutungslos.

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Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

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Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

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