Beyond

Wettbewerbsbeitrag von Charlotte Z., 14 Jahre

Dienstag, 25.06.2023
Sie schaut auf die Uhr. In den gefühlten letzten 10 Minuten hat sich der Zeiger nur um 3 Minuten voran bewegt. Leider zählt die Uhr, nicht ihr Gefühl. Der Lehrer redet etwas von spezifischer Wärmekapazität. Spannender sind allerdings die Momente, in denen es um den Weltraum geht. Natürlich nur für 2 Minuten, bis es dann mit dem Stoff des Lernplans weitergeht. Mist, denkt sie sich. Was machen die Menschen in 5 Milliarden Jahren, wenn die Sonne sich ausdehnt und der Erde ein Ende bereitet? Doch sie wird es gar nicht miterleben.

Sehr viele Jahre später
Ich habe das Ende miterlebt. Es kam früher als gedacht. Sauerstoff, extreme Wetterbedingungen. Menschen sind neugierig. Wir entdecken und erfinden Dinge, aber unseren Heimatplaneten konnten wir nicht retten. Wir haben das Ende herausgezögert, aber verhindern konnten wir es nicht. Wer wollte blieb auf der Erde, der Rest lebte in den Raumstationen. Dann wurden die Menschen evakuiert. Ich war 14 Jahre alt, als der blaue Tod geschah. Die Sonne breitete sich aus und zerstörte unseren Planeten. Ich beobachtete ihn mit einer SPsupra aus der Luna VI weit von unserem ersten Sonnensystem entfernt.
Es war hell. Sehr hell. Und rot. Ein Riese. Die Sonne war ein Roter Riese. In Sekunden verdunsteten die letzten Flecken Wasser. Nur noch flüssiges Gestein. Zäh. Eine Wüste. Eine Masse, die uns nun nicht mehr unterscheidbar von so vielen Objekten im Weltraum machte. Dennoch wollte ich meine Augen nicht schließen, wollte beim Ende dieser Ära alles gesehen haben. Es erfüllte mich mit Freude, mit Traurigkeit und mit Angst. Freude, über das, was wir geschafft hatten, Traurigkeit über das, was wir verloren hatten und Angst vor dem, was noch kommen würde.

In den nächsten Jahren besuchte ich die Jackson-Amber-Hard-School, benannt nach den Geschwistern, die vor vielen Jahren die Lichtgeschwindigkeit für uns Menschen nutzbar machten.
Nach meinem Abschluss bewarb ich mich an der University of Space Exploration and Recovery, wurde angenommen und habe mich seitdem zur Kommandantin meines eigenen Spaceboats vorgearbeitet.
Jetzt laufe ich nach 5 Jahren Ausbildung in den Bereichen Astrophysik und Astronautik im Trakt GANYMED B6 in Richtung Andockstation. Die Wege sind durch blaue Neonröhren beleuchtet, alle paar Meter ist entweder eine Tür oder ein neuer Gang zweigt ab. In meinen ersten Wochen hier habe ich mich ständig verlaufen. Jetzt kenne ich jeden Weg und GANYMED ist für mich zu einem Zuhause geworden. Trotzdem muss ich morgen weg. Mit meiner Crew werde ich mit der NemesisIV in Richtung Milchstraßen Inneres vordringen. Die Wahrscheinlichkeit zu sterben ist nicht gering, wenn nicht sogar sehr hoch. Wir wollen in Richtung GaiaBH 1 fliegen. Wir wollen als erste Menschen in ein schwarzes Loch fliegen.
                   
Es ist so weit. Um 10:30 Uhr AM, am 01.13.10 PBD nach nuperianischer Zeit finde ich mich gemeinsam mit meiner Crew, bestehend aus dem blauhäutigen Skrr, Cora, 5QF und Pontos nach letzten Gesundheitschecks im NemesisIV ein.
Ich sitze vorne links, neben mir Pontos, der für die Navigation zuständig ist. Kurz darauf meldet sich General Skum durch unsere Headsets.
„Kontrollzentrale an NemesisIV, sind alle bereit?“
„NemesisIV verstanden und bereit.“, antworte ich.
„Kommandantin Jane Logan-Franklin, Sie haben die Erlaubnis zum Abheben in 5 Minuten.“
„Verstanden.“, antworte ich.
Die Minuten vergehen. Ich starre auf die vielen Knöpfe und Bildschirme vor mir. Gleich geht es los.
„Erlaubnis erteilt.“, meldet sich Skum‘s tiefe Stimme.
„Abflug in Zehn…Neun…Acht…“ Das Spaceboat dröhnt.
„Sieben…Sechs…Fünf…“ Ich lege die letzten Schalter um.
„Vier…Drei…Zwei…Eins.“ Wir heben ab und schießen in das dunkle Nichts um GANYMED herum.

Eine Stunde später sind wir an unserem Zielpunkt angekommen. Unsere Radioteleskope melden erhöhte Strahlung. Wir sind kurz vor dem Ereignishorizont angekommen. Scheibenförmige Gebilde aus Staub Gas kreisen um unser schwarzes Loch. Noch können wir umdrehen. Ich schaue Pontos an. Er nickt mir zu.
„NemesisIV an Kontrolle, wir haben das Ziel erreicht.“
„Kontrolle verstanden.“
Wenn wir den Horizont überschreiten, werden wir in die Länge gezogen. Spaghettifiziert. Ab dem Moment sind wir vorerst auf uns allein gestellt. Keine Verbindung zum Kontrollzentrum.
Wir haben lange an einer Lösung für das Spaghetti-Problem gearbeitet. Wir haben sie gefunden. Um unbeschadet reinzukommen, müssen wir schneller sein als das schwarze Loch. Wir müssen so schnell drinnen sein, dass es keine Chance hat uns zu spaghettifizieren. Wir reisen mit Tachyonen.
Tachyonen gab es lange Zeit nur hypothetisch. Richtig nutzen konnten wir sie das erste Mal im Jahr 3 ABD. Es gibt keine vollkommende Sicherheit dafür, dass es funktioniert. Wir versuchen es.
„NemesisIV an Kontrolle, wir starten in 30 Sekunden.“
„Verstanden. Hoffen wir auf neue Erkenntnisse. Viel Glück, Kommandantin Logan-Franklin.“
Skrrr schaltet den Tachyonentrieb an. Wir werden unfassbar schnell. Wie Schlieren fliegen die letzten Lichter in unserer Umgebung an uns vorbei. Die g-Kräfte sind enorm. So etwas habe ich noch nie gespürt. Die Umgebung ändert sich. Als wäre ein schwarzer Vorhang um unser Spaceboat gelegt worden. Tiefschwarz. Da ist nichts. Ich schaue Pontos an. Er lächelt mir zuversichtlich zu.
Unsere Bildschirme blinken. Wir haben den Kern des Loches fasst erreicht.
„Tachyonentrieb aus in drei…zwei…eins.“ Wir stoppen abrupt.
Eine Farbwelt explodiert vor meinen Augen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist wunderschön. Unendlich viele Farben sind in wolkenähnlichen Formen, Punkten, Schlieren angesammelt. Etliche Blau, Lila, Grün, Gelb - Töne, aber auch goldene, silberne und rote. Manche Farben vermischen sich, manche nicht. Manche sehen so aus, als wären sie mit einem Pinsel auf eine riesige Leinwand gestrichen worden. Es ist eine Welt aus Farben. Eine fantastische Welt. Eine Welt mit einer so gewaltigen Vielfalt, dass man es sich nicht vorstellen kann. Wie hypnotisiert schaue ich sie an. Niemals möchte ich diesen Anblick vergessen. Niemals in meinem Leben. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es meiner Crew wie mir geht. Ich merke, wie mir die Tränen kommen. Dieser Ort ist so wunderschön, verborgen hinter einer Welt aus Schwärze und Nichts. Und keiner hätte etwas wie das jemals erahnen können.
„Wow“, murmelt Cora.
„Das ist…unfassbar!“, ruft Pontos.
„Diese Lichter…atemberaubend“, haucht Skrrr.
Pontos berührt mich leicht am Arm. „Alles ok, Jane?“
„Ja“, sage ich halb weinend, halb lachend. „Es ist nur…es ist wunderschön.“

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Charlotte Z.