Takeoff ins All

Wettbewerbsbeitrag von July, 15 Jahre

Mein Herz schlägt in lauten dumpfen Schlägen in meinen Ohren. Es ist so weit.
„Takeoff in 10, 9“ die blecherne Stimme über die Lautsprecher holt mich in die Gegenwart zurück. Ich spüre, wie meine Nerven sich anspannen, und meine Finger verkrampfen sich um den Gurt meines Sitzen.
„8“ Obwohl alle sagen, dass dies eine große Chance für mich ist, weiß ich, dass dies auch ein finaler Abschied ist.
„7“ Ein Abschied von Sonnenuntergängen über dem Wald, ein Abschied von Wellen, die sich um meine Fußgelenke spülen und ein Abschied von dem Gezwitscher von Vögeln.
„6“ Ein Abschied von all den wunderbaren Menschen, die ich für immer zurücklasse. Das warme Lachen meiner Mutter, die enge Umarmung meines Vaters.
„5“ Stop. Ich reiße mich zusammen, die Dinge sind so verlaufen wie sie sind und ich kann daran nichts ändern.
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Blastoff.

Ich schließe meine Augen und spüre wie wir vom Boden abheben. Blinzelnt, geblendet von der Helligkeit der weißen Deckenlichter, öffne ich meine Augen wieder. Ich sitze in meiner Startröhre, welche uns vor den hohen G-Kräften beim Takeoff schützt bis sich das Tempo des Schiffs eingependelt hat. Meine Röhre hat eine schwarze 37-4 auf die Scheibe gedruckt, welche auch auf meiner Kleidung über meinem Namen zu finden ist. Momentan trage ich schwarzen engen Light-Skin. Dabei handelt es sich um die Spezialkleidung für das Security Department. Sie ist besonders leicht, hat viel Bewegungsfreiheit und ist stichsicher. Mit vielen Monaten und Jahren von Training ist die Uniform schon fast meine zweite Haut geworden und hat mich schon vor der ein oder anderen unangenehmen Verletzung bewahrt.
Trotz der Startröhre spüre ich, wie wir die Barriere ins Nichts durchbrechen. Für einen kurzen Moment fühle ich, wie die Schwerelosigkeit meine Glieder federleicht werden lässt und bin dankbar für den Gurt, der mich fest im Sitz hält. Dann geht mit einem leisen Brummen der Schwerkraftsimulator an und meine Arme fallen wieder an meine Seiten.
Nur kurze Zeit später öffnet sich die Klappe meiner Startröhre mit einem lauten Zischen und mit ihr verschwindet die Ruhe. Ich steige aus meiner Schutzhülle mitten auf die Bridge der Starship72. Überall um mich herum verlassen andere Offiziere, Leutnante, Piloten und weitere Crewmitglieder ihre Startröhren. Am Anfang scheint es ein riesiges Chaos, doch jeder weiß genau, wo er hin muss. Wir haben es mindesten 200 mal geübt. Nachdem das Ship den Takeoff ohne direkte Steuerung schaffen kann, müssen nun alle Monitore, Konsolen und Anzeigen angeschaltet und von der Crew kontrolliert werden. Ich beobachte, wie alle Piloten in hellblauen Uniformen zum Cockpit laufen und Offiziere in dunkelblau zusammen mit der Tech-Crew marschieren zu nun überall aufblinkenden Geräten und Displays.

Nach ein paar Sekunden schnappe ich mir aus der Metallkiste neben meiner Röhre, welche ich mit meinem Sym öffne, meinen Gürtel inklusive Waffe. Das Sym ist ein kleines Tattoo meiner Nummer auf dem Handgelenk, welches jedes Crewmitglied hat und hier die Zulassungsstufen kontrolliert. Es ist speziell eingebrannt und somit nicht fälschbar. Wie geübt bewege ich mich, nachdem ich mir den Gürtel angelegt habe, direkt zu den beiden Metalltüren. Hinter diesen liegt das mittlerweile verschlossene und mit Security gesicherte Cockpit. Ich erreiche die beiden Soldaten, welche ich vom Sehen kenne. Der rechte ist ein muskulöser Mann Ende 20 mit einer Brandnarbe über seinem rechten Auge. Links steht eine sehnige Frau mit sonnengebräunter Haut. Beide schauen mich düster an. Einen Moment überlege ich sie anzulächeln, doch dann erinnere ich mich, dass dies keine einfache Übung ist.
„Sym?“ fragt die Frau mit einer erstaunlich tiefen Stimme.

Ich halte ihnen mein Handgelenk hin und nachdem sie alles in ihrem Scanner kontrolliert haben, drückt der Mann mit der Narbe einen roten Knopf an der Seite der Tür. Dann öffnen sich endlich die großen Türen und erlauben mir den Blick auf hunderte von blinkenden Lämpchen, Displays und, am wichtigsten, eine große Frontscheibe. Diese lässt mich die Milchstraße in all ihrer Schönheit bewundern. Seit ich ein junges Mädchen war, wollte ich diesen Ausblick haben. Hunderte von Sternen um mich herum, Planeten in der Ferne und die Sonne in ihrer ganzen Fülle. Für einen kurzen Moment drohen die Emotionen diese Blicke zu überrennen, doch ich reiße mich zusammen. Ich bin nicht hier, um die Schönheit des Alls zu bewundern.
Ich drehe mich weg von der Frontscheibe und mir fällt mein eigentliches Ziel ins Auge. Als Einziger in schwarz-goldener Uniform. Captain Isaac Waters. Mit Mitte dreißig einer der ältesten auf dem Ship. Er hat blonde kurzgeschorene Haare und ein von Narben und Anspannung verzerrtes Gesicht. Er steht an den Main-Monitoren und lässt sich gerade von einem erfahrenen Leutnant den Verlauf des Takeoffs auf den anderen Etagen schildern. Ich bewege mich ohne Laut, um ihn nicht zu stören und stelle mich schräg hinter ihn. Mit meiner eher schlankeren und kleineren Statur bleibe ich oft unbemerkt. Trotzdem weiß ich, dass Waters mich bemerkt hat. Ich kann es an der leichten Veränderung seiner Haltung und dem minimalen Zucken seiner Lippen erkennen.
„Generell zusammengefasst verlief es bis auf kleine Umstände in den unteren Etagen ohne Probleme. Die Mission ist in vollem Gange,“ beendet der Leutnant seinen Beitrag und nach einem
„Danke, Leutnant“ verschwindet dieser nachdem er sich aufgerichtet und salutiert hat.

Der Captain verfällt in Gedanken über seinen Monitoren und ich bewege mich keinen Zentimeter.
Ich halte lediglich die Augen offen nach allem was sich in einem Fünf-Meter Radius befindet. Die Jahre des Leibwächter Trainings haben mich auf jede noch so kleine Bewegung trainiert.
„Zoe, wie verlief ihr Start?“ Waters dreht sich zu mir um und schenkt mir ein kleines Lächeln.
„Gut, Sir.“ Ich sehe wie sein Augenlied leicht zuckt. Ich weiß, dass er es nicht mag, von mir Sir genannt zu werden. Aber er weiß auch, dass ich mich nicht über das Protokoll hinwegsetzen darf.
Vor allem, wo ich mit meinen 17 Jahren sowieso ständig beäugt werde. Zwar sind auf dem ganzen über 20.000 Kinder, doch so einen hohen Job bekommen normalerweise nur ältere Soldaten.
„Schön. Dann lass uns diese Mission beenden, lass uns diese Kinder in Sicherheit bringen.“ Sein Blick fliegt zum roten Planeten, der durch die Scheibe zu sehen ist. Sicherheit für diese Kinder, Sicherheit vor dem Horror der Erde.
„Ja, Sir.“ Ich sehe wie die Monitoren unser Ziel fokussieren. Wir nehmen Kurs auf den Mars.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN