Interview - Teil 2

*Graw*: Ich habe mir deine Moderationen auf Viva 2 genauer angesehen und festgestellt, dass sie sehr eigen und unverkennbar sind, zumal du sie immer mit der für dich charakteristischen Stimme in sehr hohem Tempo sprichst. Dabei versuchst du, unterschiedlichste Informationen gleichzeitig unterzubringen, Fakten und Kommentare zu vermischen. Du versorgst den Zuschauer reichlich mit Material, gibst aber neben dieser Vermittlungsarbeit auch Werturteile ab. Kürzlich hast du zum Beispiel den Sänger von Blur als Angeber bezeichnet. Schreibst du diese sehr dichten Moderationen eigentlich selbst?

*Roche*: Ja, sie basieren auf Stichwörtern, die ich zusammen mit der Redaktion erarbeite. Ich verbringe die meiste Zeit in der Redaktion und recherchiere – vor allem im Internet. Ich versuche, meinen Moderationen eine Richtung zu geben, um sie mit meiner eigenen Meinung vereinbaren zu können.

*Graw*: Nur die wenigsten Moderatorinnen erheben den Anspruch, sich auszukennen oder eine eigene Meinung zu formulieren. Auf MTV liegen die Moderatorinnen eher lasziv auf dem Sofa und sagen nur das Nötigste.

*Roche*: Deshalb handelt man sich auch den Ruf ein, arrogant zu sein, wenn man ganz viele Informationen rasend schnell spricht. Im Fernsehen soll man ja alles ganz langsam sprechen, da die Leute das alles ja zum ersten Mal hören. Und dann überlegt man, ob die Gehirne der Zuschauer wohl schneller werden, wenn man viel Information in kurzer Zeit unterbringt? Oder soll man das auf ein so komisches Niveau herunterschrauben, von dem man glaubt, dass es dem der Zuschauer entspricht? Es ist schon herablassend, dass viele Sender davon ausgehen, der Zuschauer sei grundsätzlich dumm...  Man kann aber auch von der umgekehrten Annahme ausgehen und diese falschen Prämissen ändern.

*Graw*: Wie reagieren die Männer in deinem Umfeld auf eine Frau, die sich anmaßt, kompetent über Musik zu sprechen? Diese Musikwelt – insbesondere die von VIVA 2 abgedeckte Independent- und Hip-Hop-Szene, gilt doch als nach wie vor männerdominiert.

*Roche*: Die Reaktionen sind komischerweise nie negativ. Bei Licht betrachtet müßte ich mir eigentlich viel mehr Ärger einheimsen, als ich es tue. Aber es ist nicht so, dass ich gegen Schranken ankämpfen müßte.

*Graw*: War das von Anfang an so?

*Roche*: Erstaunlicherweise schon. Wenn ich zum Beispiel Hanin Elias vor mir sitzen habe und ein stark feministisch gefärbtes Interview führe, dann kommt mein Chef und lobt mich. Das ist schon am Anfang so gewesen, dass der Programmdirektor kam und sich freute. Irgendwann muss ich den Punkt erreicht haben, wo alle gesagt haben: Lass die mal machen. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass ich nie um meine Sendung kämpfen mußte. Ich denke aber auch, dass ich das Glück hatte, eine Lücke zu füllen.

*Graw*: Die Stelle, die du einnimmst – die der exzentrischen, überdrehten aber auch insistierenden und antisexistischen Frau - war schlicht noch frei. Man brauchte gewissermaßen eine Person, die vom Bild der Standard-Moderatorin abweicht, zumal Viva diese Pluralität, diese Feier der Differenz ja zum Programm erhob.

*Roche*: Man stellt einen Asiaten ein, einen Schwarzen, eine Frau, eine Blonde, die nichts sagt und eine Schwarzhaarige, die Feministin ist. Natürlich steckt da eine Strategie dahinter. Aber dennoch ist es mein Glück, dass ich eine Lücke fülle, die es mir erlaubt, so zu arbeiten.

*Graw*: Absolut. Mich würde noch deine Interviewtechnik interessieren. Ich hatte den Eindruck, dass du nicht einfach schematisch Fragen abspuhlst, sondern ein Interesse verfolgst oder Probleme gezielt ansprichst.

*Roche*: Mir ist es sehr wichtig, dass ich nichts Abgenudeltes von mir gebe, dass meine Fragen logisch aufgebaut sind und nicht etwa wie ein Fragenkatalog klingen. Am Anfang des Interviews geht es darum, sich in ein Thema einzuarbeiten, und am Ende kommen dann die Knüppelfragen, die wirklich zum Nachdenken anregen. Man muß sich vorher mit der Materie auseinandergesetzt haben. Wenn ich zum Beispiel jemanden wie Jan Eißfeldt vor mir habe – Du weißt schon, mit dem Terroristengelaber in seinen Songs -, dann küsse ich förmlich den Boden, weil sich diese Texte perfekt für ein Interview eignen. Da gibt es wirklich Hardcore-Sachen zu bereden, etwa über politische Gegenkultur und was weiß ich nicht alles. Das kommt immer gut an. Am Anfang haben noch alle meine Moderationen schrecklich gefunden, nach dem Motto: Geh weg. Aber irgendwann muß der Punkt gekommen sein, wo jeder – auch sendepolitisch – gemerkt hat, dass mein Ansatz erfolgreich ist. Seither läßt man mich machen, was ich will.

Hier geht's weiter

Autorin / Autor: Isabell Graw - Stand: 18. Juli 2001