TikTok und Fast Fashion: Ein zerstörerisches Duo

Wechselnde Modetrends sind kein neues Phänomen, doch durch Social Media Plattformen sind sogenannte Mikrotrends immer relevanter geworden und regen zum Kauf von Fast Fashion an.

Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass sich die Trends auf TikTok schneller ändern als ihr mithalten könnt? Bestimmt seid ihr schon mal dem "Clean Girl“ begegnet, denn das Internet wurde mit dem Begriff geflutet. Oder vielleicht ist euch auch ein "Coquette Girl" mit Kleidchen und Schleifchen über den Weg gelaufen oder jemand in Old-Money-Ästhetik? Da mitzuhalten ist gar nicht so einfach, denn diese Trends halten häufig nur wenige Wochen, bevor sie durch etwas Hipperes ersetzt werden.
Trotzdem drehen sich viele dieser Trends nicht einfach nur um Kleidung, sondern wollen gleich eine Lebensphilosophie vermitteln.

Fashion-Mikrotrends: Clean Girl, Dark Academia & Co

Ein Paradebeispiel dafür ist der bei vielen beliebte Clean Girl Trend. Dabei dreht sich alles um scheinbar natürliche Eleganz und Authentizität.
Während ein „Clean Girl“-Look zwar am sportlich, eleganten Kleidungsstil, dem typischen „Sleek“-Zopf und minimalem Make-up erkannt wird, definiert sich ein wahres Clean Girl durch den Lifestyle, der mit der Ästhetik verbunden ist. Natürliche Schönheit und ausgewogen leben sind der Fokus des Clean Girl Trends, umgesetzt wird dies durch passende Sportarten wie Yoga, gesundes Essen und einen geregelten Tagesablauf – eine Lebensweise, die offenbar besonders junge Frauen sehr anspricht. Natürlich haben Clean Girl & Co. auch jede Menge Kaufangebote im Gepäck (von der Smoothieflasche bis zur Yogamatte).
Wer gerne liest, findet sich vielleicht in der Dark Academia Ästhetik wieder, begleitet von diversen Must Haves (Schottenmuster und Tweet) und passenden Accessoires (z.B. ein Camera-Bag für die Retro-Filmkamera). Wer sich nach einem einfacheren Leben sehnt, muss dafür nicht mal das Haus oder die sozialen Medien verlassen, sondern kann einfach in die Welt des Cottage Cores auf TikTok eintauchen und von dem perfekten Farmleben träumen, selbstverständlich in den passenden auf „Shein“ gekauften und massenproduzierten Kleidern.

Die Verbindung zu Fast Fashion

Für (Ultra) Fast Fashion Unternehmen sind diese Mikrotrends die reinste Goldgrube. Zu jeder Ästhetik gibt es ein ganzes Produktportfolio und das im Stundentakt. Während große Modehäuser früher typischerweise vier Kollektionen pro Jahr veröffentlichten, bringen Fast Fashion Giganten wie H&M und Zara nun schon zwölf bis zwanzig Kollektionen pro Jahr heraus, welche viel kurzlebiger und mikrotrendorientierter sind. Ad absurdum geführt wird dies von Ultra Fast Fashion Anbietern wie Shein, die nach eigenen Angaben unfassbare 1000 Artikel pro Tag veröffentlichen. Wenn man auf der Shein Website nach Begriffen wie Cottage Core sucht, werden einem direkt ca. 5000 Artikel vorgeschlagen, alle unglaublich günstig.

Wie sich das auf die Umwelt auswirkt

Unser Zwang, immer die angesagteste Kleidung zum kleinstmöglichen Preis zu besitzen, geht auf Kosten des Klimas.
Die Textilbranche verursacht mittlerweile einen Großteil der globalen CO2-Emissionen und schädigt besonders in den Herstellungsländern signifikant die Umwelt.
Dass beinahe alle Fast Fashion Giganten ihre Ware unter unzumutbaren Bedingungen produzieren, ist bekannt.
Die Arbeiter*innen verdienen meist trotz Überstunden weit unter dem Existenzminimum und werden dabei oft gefährlichen Chemikalien ausgesetzt, auch die Fabriken in denen produziert wird, sind oft unsicher.

Und was passiert, wenn der Clean Girl Trend durch Y2K Vintage ersetzt wird? Viele der billig gekauften Klamotten landen einfach im Müll.
Laut Zahlen des Europäischen Parlaments kauft jeder Mensch in der EU durchschnittlich 26 Kilogramm Kleidung pro Jahr, von denen 11 Kilo im selben Jahr wieder weggeschmissen werden. Diese Zahl steigt seit Jahren an und zeigt, wie Kleidung nicht für langfristiges Nutzen, sondern immer mehr nur als kurzlebiges Hype-Objekt gekauft wird.

Werden diese Trends gesteuert?

Wer treibt diesen Teufelskreis wirklich an? Es profitieren vor allem die großen Konzerne.
Je öfter neue Trends aufkommen, desto mehr Gewinn erwirtschaften sie. Die meisten Trends beginnen auf TikTok und scheinen organisch zu entstehen, doch große Firmen haben längst erkannt, wie sie Einfluss darauf nehmen können. Ein einfacher Weg, dies zu tun, sind Kooperationen mit Influencer:innen, die in ihren Communitys bereits etabliert sind, denn eine Marke mit einer angesagten Ästhetik zu verbinden kann die Relevanz dieser extrem steigern.
Auch Künstliche Intelligenz spielt mittlerweile eine große Rolle beim Bewerben von Produkten. Es ist heute so einfach wie noch nie, in kürzester Zeit und mit minimalen Kosten mit KI-Werkzeugen Werbekampagnen, die zu jeder erdenklichen Ästhetik passen, zu erstellen und Plattformen wie TikTok damit zu fluten, so dass die User:innen nicht um sie herumkommen. TikTok ist seit Jahren dafür bekannt, dass es das Kaufverhalten seiner User:innen stark beeinflusst.

Unter dem Hashtag #tiktokmademebuyit präsentieren viele die Produkte, die sie nur durch Platzierung auf TikTok gekauft haben, das Hashtag umfasst mittlerweile unvorstellbare 7,8 Millionen Videos und über fünf Milliarden Aufrufe. Spätestens seit der Einführung des TikTok-Shops im August 2021 hat TikTok ein klares Interesse daran, Trends zu fördern, die die Zuschauer:innen zum Kaufen anregen, da sie nun durch ihre eigene E-Commerce-Plattform direkt am Gewinn beteiligt sind. Damit profitiert TikTok nun auch direkt von den ständig wechselnden Trendzyklen und dem damit zusammenhängenden Überkonsum.

Letztendlich bleibt die Frage: Müssen wir wirklich jedem neuen Mikrotrend hinterherjagen, nur um dazuzugehören?
Oder sollten wir nicht lieber unseren eigenen Stil entwickeln und nachhaltig denken. Durch bewusste Entscheidungen und durch den Kauf von Secondhand-Kleidung können wir einen positiven Beitrag leisten und gleichzeitig unseren individuellen Stil ausdrücken. Vielleicht wird dann aus dem Clean Girl ein Green Girl, das nichts kauft, sondern leiht, tauscht und vorhandende Kleidung einfach umstylt.

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Autorin / Autor: Martha - Stand: 19. Juni 2024