Von Ferngläsern, Manuel Neuer und der Rettung der Welt

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Clara Lösel, 25 Jahre

Ich weiß.
Ich weiß, dass Menschen fliehen.
Und dass unsere Erde brennt.
Dass Bäume sterben und Tiere.
Und dass die Zeit drängt.

Ich weiß.
Ich weiß, dass die Meere
in Plastik schwimmen.
Und dass trotzdem viele Leute Dinge
behaupten, die nicht stimmen.

Ich weiß.
Ich weiß, dass nicht jeder
so handelt als ob er die Erde liebt.
Und dass es nicht überall genug Trinkwasser
oder Menschenrechte gibt.

Und ich weiß.
Ich weiß, dass dringend
was getan werden müsste.
Wir brauchen Aufforstung und Tierrettung
und sauberere Küsten.

Wir brauchen Veränderung
und Menschen, die Veränderung bringen
und die Sachen tun und sagen,
die nicht nach Ausreden klingen.

Ich bin mir nur nicht sicher –
kann ich die Person dafür sein?
Weil im Vergleich zur ganzen Welt
bin ich doch ziemlich klein.

Und ganz ehrlich:
Würden wir wetten,
würd´ ich nicht auf mich setzen
die Welt zu retten.

Weil wer bin ich schon?
Was kann ich schon beitragen?
Was kann ich schon tun?
Und was kann ich schon sagen?

Was kann ich schon ändern?
Ich hab´ noch nie was Bedeutendes geleistet.
Ich bin sicher, wenn´s um die Rettung der Welt geht,
sind andere Leute viel besser geeignet:

Meine Eltern sind erwachsener.
Urlauber gelassener.

Meine Lehrer sind schlauer.
Meine Großeltern von längerer Dauer.

Diktatoren mächtiger.
Bodybuilder kräftiger.

Helden tun größere Taten.
Glückspilze haben bessere Karten.

Freiwillige sind freiwilliger.
Heilige heiliger.

Millionäre sind reicher.
Pfadfinder bereiter.

Umweltrechtabsolventen fertiger.
Aktivisten tätiger.

Experten sind expertiger.
Weihnachtsmänner bärtiger.

Usain Bolt schneller.
Leseratten heller.

Erfinder brillanter.
Konstanten konstanter.

Motivationscoachs motivierter.
Professoren sind versierter.

Gerechter sind Richter.
Und Goethe war dichter.

Alte Menschen sind reifer.
Grundschulkinder voller Eifer.

Piloten internationaler.
Hausbesetzer radikaler.

Eheleute sind treuer.
Manuel neuer.

Olympiasieger selbstbewusster.
Historiker erkennen mehr Muster (, in dem was passiert).

Politiker sind politischer.
Wissenschaftler wissen mehr.

Tiktok ist viraler.
Das World Wide Web globaler.

Die Feuerwehr alarmierter.
Buddha ist zentrierter.

Talkshowsgäste provokanter.
Influencer Imposanter.

Als ich.

Weil ich –
Ich bin nur ich.
Ich bin jung und dumm und unerfahr´n.
Und wenn ich wirklich ehrlich bin
hab´ ich eigentlich nichts ´nen Plan.

LÜGE.

Nur weil du jung bist,
heißt nicht du kannst nichts bewegen.
Du bist jemand, du kannst Dinge,
du bist für manche Sachen und bei manchen dagegen.

Du bist nicht in ´ner Vorbereitungszeit
für das Leben.
Du bist schon Teil von dieser Welt
und du kannst schon was geben.

Und weißt du was:
Vielleicht ist Jungsein kein Nachteil.
Vielleicht ist es in Wirklichkeit
deine Stärke jung zu sein.

Weil du Dinge zum ersten Mal fühlst.
Und Dinge zum ersten Mal liest.
Und es dich deshalb viel krasser berührt.
Du die Welt auf ´ne neue Weise siehst.

Nur du denkst Sachen, die kein anderer denkt.
Nur du sagst Sachen, die kein anderer sagt.
Nur du machst Sachen, die kein anderer macht.
Nur du wagst Sachen, die sonst keiner wagt.

Weißt du, bei allem was falsch läuft,
ist immer noch das größte Problem,
dass wir alle immer noch
durch ´n Fernglas sehn

um jemanden zu finden,
der was machen kann
und der Antworten hat
auf Wo und Wann. 

Aber wen wir sehen sind andere Leute,
die auch durch Ferngläser schauen
und auch nach Fragen suchen
statt Antworten zu bauen

und die auch verwirrt sind
und die auch nicht versteh´n:
Für die Antwort musst du nicht in´n  Fernglas
Sondern in ´nen Spiegel seh´n.

„Spieglein, Spieglein
an der Wand,
wer kann das am besten
im ganzen Land?”

Und der Spiegel sagt:
„Du und jetzt und hier.
Und keinen sieben Zwergen
trau ich mehr zu als dir.

Es gibt kein zu jung
und auch kein zu alt.
Es gibt kein zu unerfahren
oder zu kalt.

Kein zu schnell, kein zu lahm,
kein zu mutig, kein zu zahm,
kein zu weit, kein zu lang,
kein ich glaub´ gar nicht daran.

Kein zu arm, kein zu reich,
kein zu müde, kein zu weich,
kein zu schwach, kein zu klein,
kein zu ungebildet sein.

Es gibt überhaupt kein zu.
Es gibt nur ´n du.

Und dass du du bist,
das ist deine Stärke.
Dich gibt’s nur genau einmal
mit deinen Werten.

Und du weißt so gut wie ich:
Wenn nicht du, wer dann?
Wenn nicht hier, dann wo?
Und wenn nicht jetzt, wann?

Und dass es keinen Menschen auf der Welt gibt,
der das besser kann.

Als du.”

Autorin / Autor: Clara Lösel, 25 Jahre