Teil des Problems

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Nele Oppermann, 20 Jahre

Ich komme von der Arbeit heim mit meinem neuen Wagen,
weil die Wartezeiten der Öffis mir zu doof in der Zeit lagen.
Und außerdem will ich manchmal einfach allein sein.
Nicht in der Bahn, die ist oft so voll, da passt doch kein Mensch mehr rein.

Also nehme ich den einfacheren Weg, welcher wesentlich flexibler scheint.
Und bei dem nur Musik aus dem Radio ertönt und kein nerviges Baby die ganze Fahrt weint.

Der Tag war eh zu lang und ich kann nicht mehr.
Und als ich nach Hause komme, merke ich auch noch: Mein Kühlschrank ist leer.
Nur die Reste von gestern sind noch da,
aber da habe ich gerade keinen Bock drauf, weil das jetzt nun auch keine Geschmacksexplosion war.

Darum schmeiß ich die Reste weg. Ich möchte etwas anderes essen.
Dass nichts im Haus ist, habe ich dabei aber irgendwie total vergessen.
Also muss der Lieferdienst nun Wohl oder Übel her.
Alles andere wäre mir jetzt auch einfach zu viel. Zu schwer.

Nach meinem Anruf bei dem besten Restaurant dieser Stadt,
leg ich mich gemütlich auf die Couch und gucke was das Fernsehen heute so zu bieten hat.
Ohje, ein ernster Blick sieht mich düster aus der Röhre an,
denn gerade laufen Nachrichten und es ist ein wichtiges und aktuelles Thema dran.

Es wird berichtet: Das Klimaziel wurde mal wieder nicht erreicht,
weil das Verhalten der Menschen, trotz Wissen, dem eines Unwissenden gleicht.
Außerdem ist heute der Earth Overshoot Day. Alles ist aufgebraucht von dieser Welt.
Sogar einen Tag früher als letztes Jahr, was mich vor großen Unmut stellt.

Denn wieso zerstören die da oben die Grundlage vom menschlichen Leben?
Warum tun die Politiker so, als würde es noch eine zweite Erde geben?
Sie ignorieren jegliche noch so große Gefahr.
Ganz nach dem Motto: Wenn ich die Probleme nicht sehe, dann sind sie eben auch nicht da.

Doch sie kommen immer näher und werden größer. Stück für Stück.
Irgendwann, wenn die so weiter machen, dann gibt es keinen Weg mehr zurück.
Und ich kann es beim besten Willen nicht verstehen:
Wollen die die Realität aus Faulheit oder bloß aus Gier nicht sehen?

Oder sehen die alles und lassen es bewusst zu?
Weil das, was in Zukunft passiert, das hat ja nichts mehr mit ihrem Leben zu tun.
Ich werd wütend, die Nachrichten beruhigen mich kaum.
Deswegen schalte ich weiter, um eine süße kleine Rom-Com zu schauen.
Bemerke dabei: Auch ich will mich nicht mit den Problemen auseinandersetzen und vermeide die Konfrontation
Da ich das halt einfach kann: Hier in meiner privilegierten Situation.

Die da oben sind so schlecht zu unserer Welt.
Alles - wirklich alles - dreht sich da oben doch nur um Macht und um Geld.
Aber wenn sie im TV sehen, wie Schildkröten an Plastik verrecken,
dann schalten sie um, um ihre Schuldgefühle möglichst klein zu halten und zu verstecken.

Oh. Es klingelt. Die Pizza ist da. Allerdings 11 Minuten zu spät.
Rate mal, wer heute ohne Trinkgeld nach Hause geht.
Und schließe ich so meine Tür, dann schüttelt es mich.
Bemerke: Das Problem sind nicht nur die Anderen. Ein Teil des Problems das bin auch ich.

Autorin / Autor: Nele Oppermann