Narzissen am Boden

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Alisa Winterhalter, 26 Jahre

Im Schaukelstuhl der alte Mann,
der sich erinnert
umgeben von Kindern.
Hände klebrig vom Saft der Johannesbeeren,
Augen klebrig vom Jetzt.
Sie fragen ihn, was damals war.
Die Zweige der Weiden schwingen
hin-und-her, hinterher
wie Henkersschlingen – und er schweigt,
obwohl er sagen will: ich erinnere mich
an die Beine der Hummeln, an rotes Gold,
an die Zartheit deiner Hände, an die Narzissen darin.
Dass wir dachten, das bleibt ewig.
Den Kopf weit zurückgelegt,
die Handflächen nach oben gekehrt
und der Regen
ein Geschenk.
Geschenke nimmt man nicht zurück.
Die Augen des Mädchens
– ihre Hände sind blass –
einen Spalt breit offen:
Das Gestern fällt hindurch,
sie fragt: was ist dann passiert?
Ein Blick aus dem roten Winkel seines Auges
sagt: exitus.
Die Welt aus den Angeln
und Narzissen am Boden.
Megären aus Öl, die ihre Farbe
vergessen machen – wo sind –
meine Hände, wer bin ich außerhalb
meiner sterbenden Mutter.
Licht in Scherben. Schreie im Meer,
das Miasma den Hummeln ein Leichentuch
und die Stille ohne Frieden.
Das Mädchen weint,
die anderen sind fort.
Aber
schau:
In den Weiden hängen keine Toten.
Jemand hat den Rand des Himmels
mit Blattgold versäumt.
Überall Summen.
Hier bin ich und du
erinnerst mich an deine Mutter.
Die Augen
– grün – einen Spalt breit offen:
Das Morgen fällt hinein,
sie fragt: und was ist dann passiert?
Ein junges Lächeln, jahrtausendalt
und wie zwei Seiten einer Münze.
Vorne die Courage,
dahinter die Liebe.
Ja, was ist dann passiert?
Wir haben die Augen aufgemacht, Gaia.

Autorin / Autor: Alisa Winterhalter