Die Not, die wir schufen

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Miramé Kühlwein, 19 Jahre

Die Erde ertrinkt und wir gleich mit, weil unser Schiff immer weiter sinkt. Kein Rettungsboot, und sei es noch so groß, kann uns vor dem Ertrinken bewahren. Denn selbst sind wir schuld, wir elendigen Barbaren, an allem, was wir nun erfahren. Selbst sind wir daran schuld, dass wir sterben in Scharen. Die Welt brennt und wir gleich mit. Die Flammen tauchen sie in grelles, rotes Licht, die Farbe spiegelt sich im Blut auf unserem Gesicht. Alles verschwindet im Flammenmeer, geht ein, verdorrt, allem entweicht der letzte Lebenshauch. Auch wir gehen ein, von der Hitze zerbarst, gebrandmarkt von dem Feuer, das wir selbst entfachten. Lodernde Flammen verbrennen den Körper, lodernde Flammen verbrennen die Seele. Das Feuer ist um uns, das Feuer ist in uns. Die Erde zerbricht und wir gleich mit. Sie bricht unter unseren Füßen auf, fällt in sich zusammen, doch wir nahmen es ja in Kauf. Wir fallen in die Abgründe, die wir selbst gegraben, denn wir wollten haben, haben haben. Über uns kreisen schon die Raben mit lautem Geschrei. Bevor sie selbst verschwinden, suchen sie einen letzten Kadaver, stürzen sich auf unser Gesicht und machen uns zu Blinden. Doch blind waren wir eigentlich schon immer, taten, als hätten wir keinen Schimmer, machten und machen alles nur noch schlimmer. Fühlten uns groß, fühlten uns stark, doch jetzt durchdringt der Schauer der Wahrheit uns bis ins Mark. Denn es gibt keine Gewinner in diesem Spiel, das nie eins war. Die Welt dreht sich im Sturm und wir gleich mit. Der Wind reißt unsere Häuser auseinander, schleudert unseren Besitz hoch in die Luft, zeigt uns den Weg in die Gruft, in die er uns verbannen will, die wir selbst erbauten. Der Wind schubst die Welt an, sodass sie sich dreht. Zu Beginn fühlte es sich an, wie ein Kinderkarussell, das sich sanft im Kreis bewegt. Doch die Welt dreht sich schneller und schneller, hält nie wieder an, bis jedes Kind, jede Frau und auch der letzte Mann von ihrer Oberfläche geschleudert wurde. Ob alt, ob jung, ob schlau, ob dumm, ob arm, ob reich, in der Erde Augen sind wir alle gleich. Ein unliebsamer Parasit, Störenfried und Dieb. Der Planet vereist und wir gleich mit. Kälte bricht herein, bedeckt die Welt mit Eis und Schnee. Fordert uns auf zu einer Odyssee, die niemals enden wird. Denn es gibt keine Zuflucht, kein Zuhause mehr. Für keinen der unsren. Früher oder später holt die Lawine uns ein, überrollt uns, drückt uns gegen den Stein, den wir uns selbst in den Weg gelegt. Der zu schwer ist, als dass er sich jemals mehr bewegt. Die Erde geht unter im Staub, im Dreck und wir gleich mit. Vernebelt ist die einst so klare Sicht, äch-zen unter dem untragbaren Gewicht der dunklen Wolken, die über uns hereinziehen. Schwe-rer als in allen Fantasien. Drücken uns nieder, sperren uns ein, lassen des Menschen Spezies nie wieder gedeihen. Sie sind gekommen, um uns zu ersticken, mit aller Kraft und allen Mitteln. Doch ihre Waffen haben sie von uns. Woher auch sonst? Der Staub, der Dreck, der uns kaum atmen lässt, der den Himmel verdunkelt, die Meere füllt, den Boden vergiftet. Er ist das, was wir nach außen trugen, um uns nicht selbst damit zu füllen. Jetzt kommt er zurück, es hilft kein Schreien, es hilft kein Brüllen. Der Staub, der Dreck wird unsere Gläser, unsere Teller füllen, bis wir daran ersticken, davon platzen, am Rande des Todes kratzen. Die Welt stirbt und wir gleich mit. Die Erde sieht rot, wünscht uns denselben Tod, den wir ihr bescheren. Gegen ihren Zorn kann sich niemand wehren, keiner kann entkommen.
Man kann nicht mehr flieh’n, nur in die Schlacht zieh’n. Wachgerüttelt einen finalen Versuch starten, anstatt immer nur zu warten. Einen Schritt Richtung Besserung tun, anstatt immer nur auf dem Sofa zu ruh’n und den Schrecken der Welt auf dem Bildschirm zu seh’n. Doch solange es uns nicht als Einzelnen betrifft bleiben wir sitzen, denken: „Ist schon schlimm, aber ich muss es ja nicht erleben“, Illusion, jeder von uns wird es spüren das Beben, das den Planeten durchzieht, wenn er untergeht. Ob lebendig oder dann schon tot, jeden von uns betrifft die Not. Darum müssen wir endlich auf beiden Beinen stehen und der Wahrheit ins Auge sehen. Es darf nicht mehr Jahr für Jahr ohne Änderung vergeh’n. Wir können handeln und müssen dies auch tun, besonders die von uns, die auch wirklich die Macht dazu besitzen. Sonst werden wir ertrinken, erfrieren und verbrennen, egal wie schnell wir rennen. Es dauert nicht mehr lange, dann hören wir schon die Engelschöre singen, während wir ums Überleben ringen. Denn die Welt geht unter und wir gleich mit.

Autorin / Autor: Miramé Kühlwein, 19 Jahre