Aus dem Gleichgewicht

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Margherita, 20 Jahre

Wir Menschen zerstören die Natur, weil sie uns scheinbar nicht genug ist.
Weil wir immer mehr und mehr haben wollen, aber wie wollen wir das erreichen, wenn wir uns selbst immer mehr nehmen?
Wenn wir immer weniger wirklich Wahres bekommen, weil wir glauben, wir müssten andauernd Neues bauen und das Wahre, das seit Beginn dieses Planeten sein Ebenbild ziert, zerstören.
Wir würden eher auch noch das letzte bisschen Natur eliminieren und vom Rand der umgebaggerten Welt fallen, als uns eingestehen, dass unser Handeln falsch war.

Wir bilden Beton und Ziegel, Gummi und Glas, Metall und Unglücklichkeit aus dem Boden, der dachte, er würde alles überstehen, bis der Mensch kam und es an sich riss.
Bis die anthropogene Masse 2020 erstmals die Biomasse überstieg.
Wir bilden Gebäude und Gruben und wollen alles ins Extreme verkehren. Das höchste Haus, das größte Stadium und so weiter und so fort, und dann stehen wir stolz darauf und blicken auf die kleine Natur hinab.
Aber das ist ein Denkfehler.
Ist es möglich, dass die gesamte Menschheit den ein und selben Denkfehler teilt? Wie können wir nicht sehen, dass das, was wir niederreißen, niemals wieder so großartig sein wird, wie es war? Dass auch das modernste, größte, verwickeltste Shoppingcenter, wenn man genau hinsieht, nicht die gleichen feinen Details besitzt wie der Berg, der einst hier stand.
Vielleicht möchte man denken, Sprösslinge sprießen und blühen doch sowieso an jeder Straßenecke, in Kreisverkehren und auf Dachterrassen.
Die Natur wird ohnehin an vielen Orten repräsentiert, da braucht man doch nicht jammern, die Situation ist doch nicht so schlimm.
Aber seit wann sollte die Natur nur repräsentiert werden? Sollte sie nicht überall vorhanden sein und nicht nur, wenn der Mensch sie einsetzt?
Dort, wo er sie haben will, dort, wo sie passt, dort, wo sie der künstlich geschaffenen neuen Wirklichkeit einen Gefallen tun könnte.
Wo noch etwas Natur fehlt.
Wo die jährlich 30 Gigatonnen schweren neuen Klötze aus Grau einen kleinen Fleck Grün gebrauchen könnten.
Sobald sich die Sprösslinge dann weiterkämpfen, versuchen, ihr Territorium zurückzuerobern und drohen, die Grenze zwischen geplant und ungeplant zu sprengen, kommt die Gartenschere.
Ein paar Jahre darauf der Bagger.
Und 10 Jahre später wird schwarzes Gold aus den Adern der Erde gepumpt und die Pflanze, die längst zerstört, hier einst ihre Heimat gefunden hat, wird so vergessen sein, als hätte keine ihrer Art je existiert.
Sie wird zu den 99,9 Prozent aller jemals entstandenen Arten von Leben gehören und ihr Schicksal teilen.
Wie kann uns die Grundlage unseres Lebens und vor allem auch von anderen Leben nicht genug sein?
Wieso sind wir so leichtgläubig und fragen uns wirklich immer noch, was schon schlecht sein sollte an Globalisierung und Industrialisierung, wenn es uns einen vermeintlichen Fortschritt bringt?
Wieso scheint es das Schwerste zu sein, einmal etwas zurückzuschrauben und Betonmischer und durch Gießkannen und Dankbarkeit zu ersetzen?
Denn wenn wir Menschen uns die Erde selbst unter den Füßen wegschaufeln, ist es kein Wunder, wenn wir auf irgendeine Art und Weise in eine Grube aus Schotter fallen und die Welt im Großen und Ganzen immer weniger zu diesem Wunschort wird, den wir uns erschaffen wollten.

Autorin / Autor: Margherita