ein erzählen eine krise ein versuch

Beitrag zum Wettbewerb green poems von Valerie Zichy, 22 Jahre

wie
davon sprechen wie
sich nicht verheddern wie
die gegenwart nicht mit der zukunft verwechseln

ich zähle entfremdungen an meinen händen ab.
meine finger reichen nicht aus.

vielleicht haben wir doch angst, vielleicht /

du sagst:
die wissenschaft wird das schon richten du sagst:
wir menschen sind flexibel, wir bekommen das schon hin

die wissenschaft schreit seit jahren.
niemand hört zu.

ein mal gehst du im wald spazieren, im wald im wald im wald
denkst an vögel die unter deinen füßen knirschen denkst /

wieso willst du kinder bekommen.
wieso willst du für immer leben.
wieso willst du nicht einsehen dass.

lese den wikipediaeintrag der bramble-cay-mosaikschwanzratte.
wohnte auf einer
koralleninsel am rand von australien war
bis zu 100 gramm schwer der
unterkiefer hell wie der bauch die füße die wangen
war eine altweltmaus hat eine neue welt nicht mehr erlebt, ist
gestorben gestorben gestorben verschwunden die insel
die erde von einer tierart weniger bewohnt

der artikel steht im perfekt.
die suchaktionen blieben erfolglos.

wie es erzählen.
wie es nicht erzählen.

ich zähle unmöglichkeiten an meinen händen ab.
meine finger reichen nicht aus.
wir machen uns kaputt.
niemand von uns hat damit angefangen, alle machen weiter.

alle finger reichen nicht alle finger zeigen trotzdem,
auf leute auf staaten auf das gesicht im spiegel

wir haben begonnen das wort wandel mit dem wort krise zu ersetzen.
wir haben begonnen das fleisch mit tofu zu ersetzen.
wir haben begonnen das benzin mit strom zu ersetzen.
wir haben begonnen das plastik mit glas zu ersetzen.
es reicht nicht.

weiß nicht wieso es gut tut zu demonstrieren.
vielleicht sind demonstrationen manchmal so wie begräbnisse: mehr für die leute die da sind als für irgendjemand anders.

du weißt nicht wer wegen deinem flug stirbt.

& ja es geht um institutionen, es geht um
politik um handeln um kapitalismus aber
für das gewissen macht trotzdem jede plastikflasche einen unterschied.
dass es für die welt einen unterschied macht, würden sie uns gerne einreden.
ich falle jedes mal wieder drauf rein.

wie es nicht erzählen.

im kopf zwei zukünfte:
die eine davon utopie, als könnte ich leben wie meine eltern großeltern wie das kind das ich war das ich immer noch bin das gefragt wird „was willst du mal werden wenn du groß bist“
die andere davon die realität

habe
vielleicht
doch
angst

eine sprachlosigkeit die zahlen dafür hat wofür es keine worte gibt
(nimmt es deswegen niemand ernst?)

denial: auf deutsch verweigerung, leugnung, ablehnung, verneinung.

das denken splittert sich auf: kann nicht alles gleichzeitig kann nicht

& doch.

wie nicht davon erzählen.

wie nicht daran denken, an
polarkappen eisbären pinguine
regenwälder orang-utans kolibris

all die bilder die schon so oft gebraucht wurden dass sie sich auf dem papier anfühlen als würden sie zerfallen, leere dort wo stille sein sollte eine stille die einen atem hat eine
gedenkminute vielleicht

wir haben begonnen wandel mit krise zu ersetzen.

es reicht nicht.
es reicht nicht es reicht nicht es reicht nicht

ich denke an mäuse.

in australien sterben millionen von fischen in den flüssen, die bis vor einigen tagen noch ihr zuhause waren.

wir sind die fische wir sind
nicht die fische sind
wir die fische sind nicht
wir sind nicht wir
sind nicht wir

vor der klimakrise von gleichheit zu sprechen fühlt sich an als würde man sich etwas totes in den mund stecken.

nein
nicht alle trifft es gleich nein
nicht alle sind gleich viel schuld nein
nicht alle sind gleich viel verantwortlich nein
wir sind nicht alle gleich in dem was uns passiert in dem wie wir passieren aber das heißt nicht dass wir nicht aufeinander aufpassen sollten.

ich denke an mäuse.

wir haben begonnen den wandel mit krise zu ersetzen.

ich denke an katzen.

ich denke an das geräusch das eis macht wenn es schmilzt.
finger klebrig. ich denke an das geräusch das eiswürfel machen wenn sie schmelzen
stelle mir das geräusch vor dass die arktis macht wenn sie schmilzt

meine zunge tut weh.

wie hier nicht in der zukunft sprechen
nicht so tun als ginge es um andere generationen, andere
kinder von kindern wenn es tatsächlich um leute geht die es schon gibt kinder
die es schon generationen die schon existieren

// etwas schmilzt
etwas schmilzt etwas schmilzt etwas schmilzt

dieser text wird nicht aufhören.
dieser text wird nicht aufhören denn wir werden nicht aufhören auch wenn sich alles ständig wiederholt dieser text wird nicht aufhören bis wir aufhören &

ich habe angst.

Autorin / Autor: Valerie Zichy