Stärken betonen verbessert die Noten
Langzeit-Experiment zeigt, dass gesellschaftliche Narrative über "sozial Benachteiligte" umerzählt werden müssten
Gesellschaftlich und finanziell benachteiligte Menschen zeigen oft viel Stärke im Umgang mit ihren Herausforderungen. Ein anschauliches Beispiel sind Studierende aus klassischen Arbeiter-Milieus - ohne akademischen Hintergrund in der Familie - die während des Studium aus finanziellen Gründen arbeiten müssen. Oft werden diese Stärken vergessen, wenn über "sozial benachteiligte Menschen" gesprochen wird. Benachteiligte Menschen, werden stattdessen als "sozial schwach" bezeichnet – wobei es ja eigentlich so ist, dass das soziale System und nicht der Mensch schwach ist. "Wir wissen schon aus früheren Studien, dass benachteiligte Menschen oft weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben als andere. Jetzt haben wir uns gezielt die Effekte von unterschiedlichen Narrativen über ‚soziale Schwäche‘ angesehen", so Bauer.
Um die Wirkung von solchen Erzählungen zu untersuchen, haben Bauer und Kolleg:innen von der Uni Wien, der Stanford University und Northwestern University Defizit-Narrative in Experimenten umgedreht: Statt benachteiligte Personen als schwach darzustellen, haben Forscher:innen einen Text entwickelt, der die oft vergessenen Stärken von benachteiligten Personen hervorhebt: Darin werden etwa das Durchhaltevermögen, Problemlösefähigkeiten und Stärke im Umgang mit Herausforderungen hervorgehoben. Dieser Text wurde dann sozial benachteiligten US-amerikanischen Studierenden vorgelegt. Die wurden dann dazu ermutigt, ihre eigenen Stärken zu reflektieren, die sie im Umgang mit erlebten Herausforderungen gezeigt haben. Im Vergleich zu einer zufällig zugewiesenen Kontrollgruppe zeigte sich, dass diese einfache Übung das Selbstbewusstsein von benachteiligten Studierenden erhöhen konnte.
Sich selbst als stark zu sehen, ist für jede:n von uns wichtig
In einem zweiten Langzeit-Experiment an einer US-amerikanischen Universität konnten die Wissenschafter:innen zeigen, dass dieses verbesserte Selbstbewusstsein auch Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Studierenden hatte: Studierende, die über die Stärken nachdachten, die sie durch ihren sozioökonomischen Hintergrund erworben hatten, zeigten über ein ganzes Semester hinweg bessere Noten in ihrem Studium.
In bisher unveröffentlichten Studien mit deutschen und österreichischen Studierenden findet Bauer ähnliche Ergebnisse. Die Herausforderungen, die sozial benachteiligte Studierende in den USA und Europa erleben seien zwar teils unterschiedlich, die stigmatisierenden Erzählungen, die Studierende als schwach darstellen, aber durchaus ähnlich, so Bauer.
"Sich selbst als stark statt schwach zu sehen, ist für jede:n von uns wichtig, um an uns glauben und unsere Leistung zeigen zu können. Wir müssen verstehen, dass Menschen, die Benachteiligungen ausgesetzt sind, nicht schwach sind, und sie sollten dementsprechend auch nicht so dargestellt werden. Solche Narrative können stigmatisierend wirken und so ungewollt weiter zu Benachteiligung beitragen. Außerdem lenken sie von den eigentlichen Problemen mit unseren sozialen Systemen ab", so Bauer. "Stattdessen sollten wir die Stärken von sozial benachteiligten Personen besser anerkennen und gleichzeitig klar die Probleme mit unseren sozialen Systemen benennen."
Die Studie wurde aktuell im Fachmagazin Social Psychological and Personality Science publiziert.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 29. Oktober 2024