Einsendungen zum Schreib- und Bilderwettbewerb im Wissenschaftsjahr 2012 - Zukunftsprojekt Erde
Es war ein heißer Julinachmittag, an dem ich das Tagebuch fand. Die Hitze, die die Sonne an diesem Tag ausstrahlte war so unerträglich, dass sich nur wenige Menschen nach draußen wagten. Auch ich blieb lieber zu Hause und stöberte stattdessen auf unserem Dachboden herum. Eine Kerze spendete mir Licht, sodass ich das Chaos betrachten konnte.
Vor einigen Tagen hatte ich meine Mutter gefragt, wie die Menschen denn früher lebten. Sie meinte, ich solle unseren Speicher genauer unter die Lupe nehmen.
Nun stand ich da und wusste nicht recht, wo ich anfangen sollte. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für den Karton, der nicht ganz so verstaubt wirkte, wie die anderen. Gespannt öffnete ich ihn.
Eine junge Frau lachte mir entgegen.
Es dauerte kurz bis ich meine Großmutter in dem schwachen Kerzenlicht wiedererkannte. Auf dem vergilbten Foto wirkte sie noch so unbekümmert. Ganz anders als ich sie in Erinnerung hatte.
Eifrig wühlte ich weiter und fand noch mehr Bilder. Auf den meisten waren meine Großeltern abgebildet und zeigten sie an den verschiedensten Orten.
Als ich mir die Fotos erneut ansah, konzentrierte ich mich auf die Hintergründe. Tatsächlich fand ich etwas: Auf einer Abbildung posierte meine Oma vor einem … Schrotthaufen mit Augen.
Wie nannte man so was?
Ich grübelte.
Genau ein Auto.
Komisches Ding.
Auf einem anderen Bild stach mir noch etwas ins Auge: Das Haus vor dem meine Großeltern standen war nicht weiß. Nein, es war in einem hellen Orangeton gestrichen. Wow, die Gebäude früher waren farbig.
Doch was mich am meisten überraschte, war ein Foto auf dem kleine weiße Sternchen vom Himmel fielen. Winzige Flocken. Es war Schnee. Ich habe noch nie in meinem Leben Schnee gesehen. Es muss ein wunderschöner Anblick sein.
Wie es sich wohl anfühlt, wenn man so eine Flocke berührt?
Nachdem ich mich wieder von den Bildern losgerissen und sie vorsichtig zurück in den Karton gelegt hatte, verspürte ich das dringende Bedürfnis mehr über diese Welt von damals zu erfahren.
Neugierig kroch ich zu der nächsten Box und blickte hinein.
Bis auf ein kleines Buch war die Kiste leer. Ich holte das Büchlein heraus und las den Titel: „Mein Tagebuch“.
Ich zögerte. Ging das nicht zu weit? Verletzte ich damit nicht die Privatsphäre der Person?
Ich redete mir ein, dass derjenige das Buch hätte vernichten können, statt es auf unseren Dachboden aufzubewahren.
Also blätterte ich zu der ersten Seite und begann die Schrift zu entziffern:
18.Juni 2023
Liebes Tagebuch,
du wirst kaum glauben, was sie jetzt durchsetzten wollen. Sie verlangen doch tatsächlich von uns, dass wir ab Ende Juni nur noch mit Salzwasser duschen. Das ist nicht das Problem, aber sie wollen die Menge an Wasser, die wir verbrauchen einschränken. Das heißt, sie legen fest, wie viel Wasser wir noch verbrauchen dürfen. Und wenn wir das Festgelegte überschreiten, drehen sie uns den Hahn zu. Das mit dem Salzwasser ist, denke ich, eine ganz gute Idee. Dennoch ist diese neue „Regel" etwas unverschämt.
Diese Vorschrift existiert schon seit über 50 Jahren. Das war also der Anfang. Der Zeitpunkt bei dem die Menschen endlich lernten zu handeln. Der Beginn der Wendung.
Und dank diesem Tagebuch kann ich es miterleben.
Mit der Kerze in der einen und mit dem Buch in der anderen Hand ging ich zu dem alten Sessel, der zwischen dem ganzen Chaos seinen Platz gefunden hatte. Ich versuchte den Staub und die Spinnweben zu ignorieren und machte es mir gemütlich:
24.Oktober 2023
Liebes Tagebuch,
die Regeln werden immer schlimmer. Sie schränken uns immer mehr ein. So vieles, was wir nicht mehr dürfen, da es uns sonst alle gefährden würde. Heute wurde beschlossen, dass der Fleischverkauf eingestellt wird. „Um unsere Erde noch zu retten“, sagen sie. Ob es wirklich etwas bringt? Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass die Leute eine Aufstand machen. Es wird eine Umstellung sein, kein Fleisch mehr zu essen, allerdings ist es nicht unmöglich oder so tragisch, wie viele meinen. Es erscheint mir alles ein wenig absurd - die ganze Lage - aber wir alle werden uns mit ihr abfinden müssen. Ich bin schon gespannt, was wir als nächstes tun müssen, „um unsere Erde noch zu retten“.
Was alles hat sich seit damals eigentlich verändert?
Es kam mir so vor, als würde ich etwas von dem Leben auf einem anderen Planeten erfahren.
Aber es geht um die selbe Welt. Unsere Welt.
Ich blätterte um:
03.Dezember 2023
Liebes Tagebuch,
die Regeln, die bisher beschlossen wurden, werden endlich akzeptiert und die Lage beruhigt sich langsam wieder.(Manchmal glaube ich, nicht ausschließen zu können, dass die Leute, die bisher einen Aufstand gemacht haben nicht freiwillig ihre Meinung geändert haben)
Naja, man gewöhnt sich an die neuen Verhältnisse und hört auf, den Sinn zu hinterfragen.
Nicht freiwillig? Warum sollte man gegen diese Änderungen sein, wenn man weiß, dass es für einen das Beste ist?
Ich verstand die Leute von damals nicht ganz.
Vielleicht erklärt sich mir etwas, wenn ich weiter lese:
14.Februar 2024
Liebes Tagebuch,
jetzt sollen wir auch noch unser schönes Auto abgeben. Soll ich in Zukunft etwa überall zu Fuß hin laufen oder mit dem Fahrrad fahren? Das kann doch nicht der ihr Ernst sein. Ich habe das Gefühl sie verbieten uns nach und nach alles.
Außerdem werden alle Hauswände weiß gestrichen. Ist das nicht furchtbar trostlos? Es gibt so viele schöne Farben. Ich weiß nicht, ob das gut ist, was die mit uns vorhaben und mit uns machen.
Warum ist der Tagebuch-Schreiber so gegen meine Welt?
Nach kurzem Überlegen glaubte ich eine Erklärung gefunden zu haben.
Wahrscheinlich sehe ich das anders, weil ich damit aufgewachsen bin und es nicht anders kenne.
Die Wendung vor über 50 Jahren hat die Menschen wohl überfordert, da sie sich zu schnell an ein neues fremdes Leben anpassen mussten.
Aber inzwischen kommen alle gut damit zurecht und können ein (relativ) sorgenfreies Leben führen.
Ohne die Wendung wäre es kaum möglich gewesen.
Ach ja, mir ist aufgefallen es hat dieses Jahr gar nicht geschneit. Eigentlich schade.