Demografischer Wandel - Was steckt dahinter?
Interview mit Dr. Claudia Bogedan
Alle Welt redet in letzter Zeit vom „Demografischen Wandel“. Aber wer oder was wandelt sich da eigentlich? Dr. Claudia Bogedan ist Wissenschaftlerin und Forschungsleiterin an der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf und bringt Licht ins Dunkel:
„Die Rede vom ‚Demografischen Wandel‘ bezieht sich in Deutschland auf eine Veränderung in der Bevölkerungszusammensetzung. Diese Veränderung ergibt sich aus der höheren Lebenserwartung von Menschen bei gleichzeitig niedrigeren Geburtsraten als zuvor. In der Folge ist eine Schrumpfung und eine Alterung zu beobachten.“
Konkret bedeutet das: In der Zukunft wird es mehr Ältere und weniger junge Menschen in Deutschland geben. Dadurch ergeben sich auch auf dem Arbeitsmarkt einige Veränderungen: Da die Menschen älter werden, arbeiten sie zwar länger, aber es fehlt an Nachwuchs. Das wiederum bedeutet, dass in den nächsten Jahrzehnten auch mehr Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, um zu arbeiten. Auch Frauen sollen im Job die Möglichkeit erhalten, Kinder und Karriere besser unter einen Hut zu bekommen. Insgesamt werden zukünftig also mehr Ältere, mehr Frauen und mehr Migranten in Deutschland arbeiten.
Dr. Bogedan findet es wichtig, dass junge Menschen schon früh über den Begriff Bescheid wissen:
„Die drei Trends des demografischen Wandels für die Arbeitswelt betreffen die Jugendlichen ganz konkret, da sie unmittelbar mit Fragen von Zugangschancen in den Arbeitsmarkt und in gute Arbeit verbunden sind.“
Als Wissenschaftsmanagerin ist Dr. Bogedan oft unterwegs, um die Menschen in Deutschland über die Veränderungen aufzuklären, die der demografische Wandel mit sich bringt. Dabei hat sie die Erfahrung gemacht, dass der Begriff oft eher negativ bewertet wird: „Jugendliche und Erwachsene haben häufig eine einseitige Wahrnehmung des demografischen Wandels. Der Begriff wird als Alterung der Gesellschaft und der oftmals negativen Folgen durch ‚zu viele Alte‘ empfunden. Die meisten sind daher erstaunt, wenn erstens über Chancen des demografischen Wandels gesprochen und zweitens die Vielfalt der dazugehörigen Themen aufgezeigt wird.“
Eines dieser Themen ist das Kinderwahlrecht. Wenn die Älteren mehr und die Jüngeren weniger werden, kann das dazu führen, dass die Älteren ihre eigenen politischen Interessen zulasten der Jüngeren durchsetzen können. Darum wird im Moment diskutiert, ob Kinder zukünftig auch ein Mitspracherecht in der Politik erhalten sollen. Aber der demografische Wandel bezieht sich nicht nur auf die Zukunft. Schon jetzt verändert sich die Gesellschaft. Dadurch sind auch ganz neue Formen des Zusammenlebens entstanden, weiß Dr. Bogedan:
„Insgesamt haben wir es mit einer größeren Vielfalt an Lebensverhältnissen zu tun als es beispielsweise im "Nachkriegsmief" möglich war. Familie ist nicht mehr nur die enge biologische Abstammung, sondern entsteht heute auch in Form von freiwilligen Zusammenschlüssen Menschen unterschiedlicher Generationen. Ein Beispiel dafür ist das Mehrgenerationenwohnen.“
Wie das Zusammenleben in so einem Mehrgenerationenhaus funktioniert, erfahrt ihr hier:
Autorin / Autor: Yvonne Börgartz, Bild: Dr. Claudia Bogedan - Stand: 14. Juni 2013