Offenheit im Gepäck
Psychologen belegen positive „Nebenwirkungen“ des Studierens im Ausland
Will um dich herum auch fast jeder "einfach mal weg", am liebsten gleich für länger? Spanien, Frankreich und Großbritannien sind die beliebtesten Länder für junge Deutsche, die mit dem ERASMUS-Programm für einige Zeit im Ausland studieren wollen. Für immer mehr Studierende hierzulande gehören ein oder zwei Auslandssemester unbedingt in den Lebenslauf: In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl derer, die während des Studiums einige Zeit an einer Hochschule im Ausland verbringen, mehr als verdoppelt.
Und das lohnt sich - nicht nur in Sachen Studienerfolg und Karriereplanung. Der Aufenthalt in einem fremden Land hat auch Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung, das belegten Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt im Rahmen des Projekts "PEDES - Personality Development of Sojourners" mit der bislang umfassendsten Studie zur Wirkung studienbezogener Auslandsaufenthalte.
"Das Zurechtkommen in einem zunächst fremden Land ist eine wichtige Lebenserfahrung", weiß Prof. Neyer. "Solche Erfahrungen haben einen gewichtigen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung besonders im jungen Erwachsenenalter", so der Psychologe von der Universität Jena. "Daher haben wir uns die Frage gestellt, ob der Aufenthalt im Ausland die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden beeinflussen kann", sagt Julia Zimmermann. Um diese Frage zu beantworten, hat die Psychologin im Rahmen ihrer Promotion am Lehrstuhl von Prof. Neyer insgesamt rund 1.000 Studierende von etwa 200 deutschen Hochschulen zu ihren Erfahrungen befragt.
Einbezogen wurden sowohl Studierende, die planten, ins Ausland zu gehen als auch eine Kontrollgruppe, die während des Studienzeitraums in Deutschland geblieben ist. Kurz vor Beginn des Semesters - entweder im Ausland oder in Deutschland -, nach fünf und nach acht Monaten haben die Studierenden jeweils einen umfangreichen Online-Fragebogen ausgefüllt. Darin haben die Psychologen Merkmale erfasst, die als entscheidende Kriterien zur Charakterisierung der Persönlichkeit gelten. Diese "Big 5" genannten Dimensionen einer Persönlichkeit sind Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Stabilität.
*Mehr Offenheit und emotionale Stabilität*
Das Ergebnis: "Diejenigen, die zum Studieren ins Ausland gehen, sind in der Regel schon vor der Ausreise offener, gewissenhafter und extravertierter als ihre Kommilitonen, die zu Hause bleiben", sagt Julia Zimmermann. Zusätzlich konnten die Jenaer Psychologen aber auch zeigen, welche Veränderungen die Auslandserfahrung mit sich bringt: "Ungeachtet der anfänglichen Persönlichkeitsunterschiede profitieren diejenigen, die eine Zeitlang im Ausland gelebt haben davon in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, z. B. im Sinne zunehmender Offenheit und emotionaler Stabilität. Ihre Entwicklung im Hinblick auf diese Merkmale unterschied sich deutlich von der Kontrollgruppe", so die Psychologin, die selbst während ihres Studiums im Rahmen des europäischen ERASMUS-Programms in Frankreich studiert hat.
*Höhere Zahl internationaler Kontakte*
Als Ursache für diese Unterschiede konnten die Jenaer Forscher die wesentlich höhere Zahl an internationalen Kontakten und Erfahrungen identifizieren, die die Studierenden im Ausland machen. "Wer sich mit Erfolg in eine andere Kultur integriert, dem fällt es leichter, sich neuen Situationen anzupassen und Herausforderungen zu meistern", vermutet Dr. Zimmermann. Offen bleibe allerdings, ob und wie nachhaltig dieser Entwicklungsschub vorhalte. Letztlich könnten auch andere Lebensereignisse eine solche Entwicklung voranbringen. "Es ist nicht zwingend notwendig, dafür ins Ausland zu gehen. Wer sich aber auf den Weg macht, profitiert davon", resümiert Zimmermann. Nach Ansicht der Jenaer ForscherInnen sprechen ihre Befunde dafür, Auslandsaufenthalte von Studierenden daher auch zukünftig großzügig zu fördern.
Ihre Forschungsergebnisse präsentieren Dr. Julia Zimmermann und Prof. Dr. Franz Neyer im Fachmagazin "Journal of Personality and Social Psychology".
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 10. Juli 2013