Glück geht so!

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Alle waren gekommen. Der Onkel aus Italien, meine Eltern, Tanten, deren Hunde
und ich. Ich freute mich. Obwohl Opa vor elf Monaten verstorben war. Wir taten
unsere Pflicht und besuchten Oma, sooft wir wollten, also eher selten. Kurz nach
Opas überraschendem Tod - kommt der Tod nicht immer überraschend - wurde Oma
von den anderen Verwandten heimgesucht, die sich verpflichtet fühlten, den Garten
und das Haus zu pflegen, die Unterlagen - besonders die - zu sichten, kurzum: alles
taten, um Oma das Gefühl zu geben, sie irgendwann bedenken zu müssen. Sie
sagte immer wieder: “Lasst mal gut sein. Das Leben geht weiter!“ Schließlich fuhr sie
spontan nach Spanien. Sie blieb dort ziemlich lange, so lange, dass wir schon
unruhig wurden. Sie kam verändert wieder.
Umso überraschender, dass sie ihren Sechsundsechzigsten überhaupt feierte. Heute
trauerte sie nicht. Im Gegenteil, sie sah glücklich aus. Und ich freute mich für sie.
Eigentlich wie jeder in diesem Raum. Dachte ich.
Langsam füllte sich der Saal mit lange nicht gesehenen Leuten. Die Tafel in der
Mitte, rot-weiß kariertes Wachstuch, hässliche Tapeten, Lampen an der stümperhaft
verputzten Decke. Eine typische Gaststätte eben. Am Rande der Stadt.
Die gesamte Verwandtschaft stand nun in einer Reihe und gratulierte. Überreicht
wurde ein großer Berg an Geschenken, der meine Oma bald unter sich begrub.
Duftseife (für den Wäscheschrank), die von allen gelobten selbst gemachten
Marmeladen und die reduzierten Mängelexemplare aus der Wühlkiste mit den ewige
Jugend verheißenden Aufschriften „Schönheit im Alter“ oder „Fit mit Udo Jürgens“.
Tontöpfe mit Treibhauspalmen und kleinere selbst getöpferte Pötte mit den
unvermeidlichen Alpenveilchen wurden hereingeschleppt. Alles Geschenke, die man
alten Leuten aus Verlegenheit schenkt. Die keiner braucht.
Man redete über heute und morgen oder saß einfach nur da.
Der von der Sonne gebräunte Onkel Luigi (eigentlich Ludwig, die Heirat mit einer
Italienerin zwang ihn dazu, seinen Namen aufzugeben), die Tante mit dem Hut, der
gewaltige Schnurrbart mit dem Vater und einige der restlichen Sippschaft hatten sich
am langen Tisch niedergelassen. Zusammen mit Oma. Familienrat! Flüsternd
unterhielten sie sich. Nickten bejahend mit den Köpfen, schüttelten verneinend die
Häupter oder blickten Gott um die Gnade zur Einsicht anflehend zur Decke, die, wie
eingangs erwähnt, stümperhaft verputzt war.
Endlich erhob sich meine Oma lächelnd von ihrem Patz. Schlagartig Stille,
erwartungsfrohe Gesichter.
„Ich danke euch für euer Erscheinen. Opas Tod hat mich sehr traurig gemacht, ich
habe gedacht, es wäre besser, wäre ich bei ihm. Keinem von euch habe ich gesagt,
dass mein Herz vor Kummer ein paar Mal aussetzen wollte. Der Arzt sagte, es sähe
nicht gut aus. Also setzte ich ein Schriftstück auf.“ Das Raunen und Wispern wurde
intensiver. Vielsagende Blicke wurden getauscht. Manch einer erschrak bei dem
Gedanken, es könne da noch jemanden Illegitimen geben, welcher unter Umständen
doch noch…
Die Spannung stieg. Jetzt würde sich zeigen, ob sich all die Mühen mit Oma gelohnt
hatten.
„Dieses Schriftstück verwahre ich bis heute. Ich möchte nun demjenigen Menschen
danken, dem ich mein neues Leben verdanke.“ An dieser Stelle setzten sich die
vermutlich Angesprochenen - Tante Inge, Vaters Großkusine und seine gesamte
Sippe, die Oma in ihrer schweren Zeit genervt hatten, auf ihren Sitzen zurecht und
probten bereits den neuen Blick, mit dem sie von nun an gedachten, zu blicken.
“Diesem Menschen ist es gelungen, mir den Schmerz zu lindern.“
Nun waren es nur noch Tante Inge und die Großkusine, die Omas Worte auf sich
bezogen, hatten sie doch unermüdlich dafür gekämpft, dass es Oma besser gehe,
hatten weder Geld, Benzin noch Mühen gescheut, um mit ihr Altenheime zu
besichtigen, Anträge auszufüllen und Oma den Verstand und ihre Mündigkeit
abzusprechen.
„Ich möchte euch nun allen sagen, dass ich Opa sehr geliebt habe.“ Nach oben
verdrehte Augen auf der einen Seite (als könne die stümperhaft verputzt Decke
etwas dafür), sentimentales Schluchzen auf der anderen. Aber man war sich einig:
Oma, komm zur Sache!
„Ich habe jemanden kennengelernt.“ Dieser Satz schlug ein wie eine Bombe. Jede
Hoffnung auf den begehrten Inhalt des besagten Schriftstücks wurde zerschlagen,
fassungslose Gesichter ringsherum. Daran hatte keiner gedacht. Das diese
Möglichkeit bestünde, so kurz nach Opas Tod, in diesem Alter und überhaupt, dass
konnte, durfte nicht wahr sein.
Gemurmel breitete sich aus. Oma beobachtete ihre Lieben, die sich flüsternd
unterhielten. In regelmäßigen Abständen lachten einige auf, während andere ihren
Tränen und ihrer Enttäuschung freien Lauf ließen. Oma sei doch senil, in ihrem Alter
noch mit einem Mann, igitt, der hat doch nur ihr Geld im Auge - sehr interessiert
lauschte ich ihnen.
Das Buffet wurde aufgetragen, es gab reichlich. Als alle kauten, huschte ich zu Oma.
„Oma, wie soll ich, na ja, fragen: also, habt ihr auch Sex?“ Ich sah schnell zur Seite,
ein bisschen peinlich war es doch, immerhin war sie meine Oma!
„Aber klar doch. Und ich sage dir: es ist wunderbar, eine ganz neue Erfahrung für
mich. Du glaubst gar nicht, wie erfüllend Liebe im Alter sein kann. Ich fühle mich
wieder jung und sehr, sehr glücklich.“ Ich sah sie bewundernd an „Oma, ich find’s
einfach nur Klasse.“ Oma drückte ganz fest meine Hand. Mir knurrte nun auch der
Bauch und ich stürzte zum Buffet. Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie
meine Mutter nun zu Oma schlich.
„Sag mal Mutter, schämst du dich denn überhaupt nicht? Bist du nicht etwas zu alt
für so etwas? Der Mann ist doch nur auf Geld und Haus aus, also wirklich! Ich finde
es schlimm, wie du dich lächerlich machst. Was sollen denn die Nachbarn denken!
Und womöglich geht ihr auch noch zusammen ins Bett? Einfach nur peinlich.“
Ich sah meine Mutter, mit knallrotem Gesicht, wild gestikulierend. Oma jedoch saß
mit einem listigen Ausdruck im Gesicht auf dem Stuhl.
“Sag mal, hörst du mir eigentlich zu? Wie heißt dein Neuer überhaupt?“
„Gisela.“
Das Gemurmel hörte schlagartig auf.
Gisela also. Ich fand‘s normal.

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U20 - Ü60 - So wollen wir zusammen leben

*Einsendeschluss!* Nun werden die Texte gezählt, gesichtet, sortiert, gestapelt und veröffentlicht. Und während die Jury liest, könnt ihr den Publikumspreis per Voting ermitteln!

*Bitte lesen!!!*: Teilnahmebedingungen

Die Jury

Schöne Preise für die schönsten Einsendungen

Worum geht es im "Wissenschaftsjahr 2013 - Die demografische Chance"?

Die Siegerehrung zum Wettbewerb "U20-Ü60"

Es war schwer, aber die Jury hat entschieden...

Autorin / Autor: India, 12 Jahre