Den Leser zum Verzweifeln bringGlühenstens empfohlen von feli.en, zum Hoffen, zum Jubeln oder Weinen- Das ist das Ziel vieler Autoren, aber nur wenigen ist dies so gut gelungen wie dem Autor Markus Zusak in seinem Roman "Wilde Hunde."
*Wolfshunde am Rand*
Nach so Knallern wie "Der Joker" oder "Die Bücherdiebin" beglückt der deutsche Autor, der mittlerweile in Sydney lebt, seine Leser mit einem Roman über die Familie Wolfe am Rande einer Stadt, eher arm, mit einem arbeitslosen Vater und einer Mutter, die sich am Wischmopp und Putzeimer zu Tode schuftet. Dann gibt es noch vier halbe Erwachsene in dieser Familie, wobei Cameron, der Jüngste, der Erzähler der Geschichte ist. Cameron und sein Bruder Rube stehen im Mittelpunkt dieses Buches, welches in zwei völlig verschiedenen Teilen geschrieben ist: Der Erste Teil führt die beiden Brüder in den Boxring zu illegalen Boxkämpfen. Cam und Rube boxen für Geld, für Ansehen- und beides trägt besonders der ältere Bruder mit vollen Armen davon. Rube ist ein Wolf(e) durch und durch, Cameron ist sich da nicht so sicher, Rube spricht, Cam denkt, Rube siegt, Cameron dagegen steht immer im Schatten seines Bruders und seiner anderen Geschwister, auch wenn dies im ersten Buchabschnitt nicht so zum Tragen kommt. Im zweiten dafür um so mehr, denn nun beobachtet Cameron nicht mehr die anderen, nun beobachtet er sich selbst. Marschiert durch die engen Gassen seines eigenen Verstandes, verliebt sich in die Exfreundin Rubes, leidet immer mehr darunter, der "einzige hoffnungslose Fall" in der Familie zu sein... bis er schließlich erkennt, dass er mehr ist, mehr als ein mittelmäßiger Boxer, unglaublich wertvoll auf seine Art.
Zwischen Kampf und Seele Auch wenn sich der erste Teil im Boxring, der zweite jedoch im Herzen des Jungen abspielt, so stehen sie doch in Verbindung miteinander. Diese Verbindungen werden zum Beispiel geknüpft von dem unsäglichen Köterchen Miffy, der für so einige Lachmomente sorgt, von den anderen Familienmitgliedern, welche zum Teil immer noch dieselben sind, aber vor allem erzählen beide Teile von dem schmalen Grad zwischen Kämpfen und Sturheit, zwischen Verlieren und Siegen, zwischen zwei unterschiedlichen Brüdern mit ihren verschiedenen turmhohen Stärken und abgrundtiefen Schwächen- und wie das Eine zum Anderen wird.
*Unglaublich brillant*
Haufenweise Autoren wollen Protagonisten schaffen, mit denen sich der Leser identifizieren kann und sinnieren lange über den besten Weg nach, dies zu erreichen. Markus Zusak nicht. Er nimmt einfach einen Teil von jedem Leser und steckt ihn in die Rolle der Hauptperson. Denn in jedem von uns steckt ein Cameron, und das ist es unter anderem, was diesen Roman für mich so faszinierend gemacht hat. Man bibbert mit Cameron im Boxring, man verzweifelt mit ihm auf einem seiner Märsche durch sein Gehirn, man ärgert sich, wenn ihm kein Ton über die Lippen kommt, man jubelt mit ihm, wenn er das richtige getan hat. Der Schreibstil ist extrem wechselhaft, manchmal kurz und knapp, manchmal voller Metaphern, manchmal schlichter Dialog, dann wieder tiefgründiger Monolog- Immer die perfekte Dosierung von Emotionen, brillant gemixt mit Nervenkitzel. Stets verschieden, aber immer gut: Markus Zusak stellt mit seinem Roman "Wilde Hunde" so einiges in den Schatten, was ich bisher gelesen habe, und ich kann das Buch nicht wärmstens, sondern glühenstens empfehlen!
Erschienen bei cbj
Autorin / Autor: feli - Stand: 23. Oktober 2008