Zukunftsblick70

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Tick. Tick. Nervös sah ich zur großen Uhr im Vorbereitungsraum, die Viertel vor 8 anzeigte. Oje, noch 15 Minuten. 15 Minuten in denen ich mich bestimmt noch Millionenmal um entscheiden werde. Will ich das wirklich durchziehen? Will ich wirklich wissen, was passieren wird? Wird es überhaupt funktionieren? Sollte ich es lieber sein lassen?
‚Anja Brenner?‘ sprach mich ein junger Mann an. ‚Ja das bin ich.‘ entgegnete ich ihm. Er nickte und wies mich an, ihm zu folgen. Wir gingen in einen isolierten Raum, ohne Fenster und wenig Beleuchtung. In der Mitte des Raumes standen 20 Sessel mit unzähligen Kabeln und technischen Geräten. Nervös blickte ich mich um. So soll es also sein.
Ich war hier. Hier, um meine Angst zu bewältigen. Die Angst davor, älter zu werden und den Lauf der Dinge zu erleben.
Die Regierung bot ein einmaliges Projekt an. ‚Zukunftsblick 70‘ nannte sich dieses. Junge Menschen konnten sich dadurch ihr Leben mit dem Alter von 60 Jahren ansehen. Es war ein Projekt, das noch nie getestet wurde. Wir, 20 junge Menschen, waren die Testpersonen. Egal ob es klappte oder nicht, wir sind hier.
Der Grund, warum ich das hier mache ist, dass ich unglaubliche Angst davor habe, älter zu werden. Ich bin 18 und eigentlich fängt mein Leben jetzt erst so richtig an. Aber jeden Tag wird es schlimmer. Panikattacken begleiten mich durch den Tag. Ich habe Angst davor, mein eigenes Leben führen zu müssen. Angst, meine Eltern, meine Großeltern, alle, die mir lieb sind, zu verlieren. Ich möchte nicht erleben, nicht mehr in der Lage zu sein, meine Einkäufe selbst zu erledigen. Deswegen bin ich hier. Auf Anraten meiner Großmutter bin ich hier. Wir hatten viele Gespräche über meine Probleme. Sie versteht mich. Aber andererseits möchte sie mir diese Angst nehmen.  Denn sie findet ‚alt‘ sein nicht schlimm. Das ist der Lauf des Lebens, wie sie immer so schön sagt.
Ich setzte mich. Der Mann, Jack war sein Name, schloss sämtliche Kabelverbindungen an meinen Körper an. Kalter Schweiß rinnt mir den Rücken runter. Er lächelte mir zu und sagte ‚Keine Angst!‘. Dann ließ er mich allein. Ich blickte mich um. 19 andere Gesichter. Ich blickte in verängstigte, verstörte, gelangweilte und unbeteiligte Augen.
Was wird mich wohl erwarten? Was wird 52 Jahre später sein?
Luci Sander, beauftragt von der Regierung, machte uns mit allem vertraut und versuchte uns unsere Ängste zu nehmen.
Die Lichter erloschen. Es ging los. Ich fühlte Verkrampfungen am ganzen Körper und plötzlich schossen mir verschiedene Szenen durch den Kopf.
…Ich stand vorm Spiegel. Allerdings war das mein ich mit 70 Jahren. Ich war kleiner, hatte Falten am ganzen Körper und lichtes weißes Haar… Ein Grabstein. Die Namen meiner Großeltern und meiner Eltern waren eingemeißelt…Ich saß in einem Raum mit vielen Menschen. Neben mir ein Mann. Ich schätzte ihn auf Mitte 70. Über uns hing ein Plakat ‚Herzlichen Glückwunsch zur Goldenen Hochzeit‘…Ich saß auf dem Sofa mit 3 Frauen und 1 Mann. Sie sahen mir ähnlich. Meine Kinder?...Ich war in einem Krankenhauszimmer. Neben mir eine der Frauen, die mit mir auf dem Sofa gesessen war. Sie lächelte und übergab mir einen neugeborenen Jungen. Mein Enkel?...Ich saß in einem Café. Um den Tisch herum saßen meine Freundinnen aus Kindertagen… Ich war in einem Haus. Überall waren Bilder von mir, dem Mann von der Feier, den 4 Personen von meinem Sofa, 4 Personen die ich nicht kannte, vielleicht war es mein  Ehepartner, und 10 Kindern. Es war also mein Haus… Ich blickte aus dem Fenster meines Wohnsitzes. Dort war ein großer Garten, eine Weide mit Kühen, Hühner liefen über einen großen Hof. Ich hatte also einen Bauernhof… Ich saß auf dem Sofa und lächelte…
Plötzlich sah ich ein grelles Licht und dann wurde es dunkel. Als ich aufwachte war ich im Projekt-Zentrum. Vor mir stand Jack und entfernte die Kabelverbindungen von meinem Körper. Als er sah, dass ich wach bin, lächelte er.
Als alles geregelt war, trat ich nach draußen ins Tageslicht und ließ das Geschehene Revue passieren. Ich habe Menschen verloren, aber neue gewonnen. Ich war mit Freunden aus der Kindheit zusammen. Ich war nicht allein. Ich war verheiratet und hatte einen wunderschönen Wohnsitz. Ich war einfach glücklich.
Mein Name ist Anja Brenner und ich habe keine Angst mehr davor, älter zu werden.

(Zitat in der Zeitung ‚Der neue Tag‘ über das Projekt ‚Zukunftsblick 70‘)

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U20 - Ü60 - So wollen wir zusammen leben

*Einsendeschluss!* Nun werden die Texte gezählt, gesichtet, sortiert, gestapelt und veröffentlicht. Und während die Jury liest, könnt ihr den Publikumspreis per Voting ermitteln!

*Bitte lesen!!!*: Teilnahmebedingungen

Die Jury

Schöne Preise für die schönsten Einsendungen

Worum geht es im "Wissenschaftsjahr 2013 - Die demografische Chance"?

Die Siegerehrung zum Wettbewerb "U20-Ü60"

Es war schwer, aber die Jury hat entschieden...

Autorin / Autor: von Anja, 18 Jahre