auro hat zwei Jahre lang intensiv "gezockt" und erzählt von den Sonnen- und Schattenseiten von Online-Rollenspielen
Online-Rollenspiele erleben zurzeit einen richtigen Boom, wer hat davon noch nicht gehört. Und die meisten Spieler sind männlich, aber es gibt auch einen Teil weiblicher Spieler. So wie ich eine war. Ganze zwei Jahre lang spielte ich das CORPG (Competitive Online Roleplaying Game) Guild Wars, das sehr den wohlbekannten MMORPG’s [Massive(ly) Multiplayer Online Roleplaying Game] ähnelt (z.B. World of Warcraft). Guild Wars hat den Vorteil, dass es keine monatlichen Kosten verursacht. Man kauft das Spiel und kann dann einfach drauflos spielen, ohne noch zusätzlich etwas bezahlen zu müssen. Allerdings gibt es auch immer mehr kostenlose Onlinegames, z.B. Cabal.
*Kleine Schwestern dürfen nicht zocken*
Auf diese Spiele gebracht hat mich mein Bruder. Er spielte allerdings ein anderes Spiel, das monatliche Gebühren verlangte. Ich war damals acht, und saß jedes Mal, wenn er spielte, stundenlang daneben und schaute gespannt zu. Irgendwann bekamen wir dann unsere eigenen PCs, und seitdem verzog sich mein Bruder in sein Zimmer, während er zockte. Für mich als kleine Schwester war da natürlich kein Zutritt.
*Ich konnte es nicht vergessen*
Und so vergingen die Jahre, irgendwann hörte mein Bruder auch auf zu spielen. Doch vergessen konnte ich diese Art von Games nicht. Und ich hätte gewiss schon viel früher angefangen, diese zu spielen, hätte dieses eine besagte Onlinespiel, was mein Bruder spielte, keine Gebühren gekostet. Kurz vor Weihnachten dann setzte ich mich an den PC und suchte nach anderen Spielen derselben Art. Und da stieß ich auf Guild Wars, ein Spiel, das eben keine monatlichen Gebühren verlangte.
*Große Freude*
Der Gedanke, mir dieses Spiel zu besorgen, wuchs, und schließlich wünschte ich es mir bei meiner Oma zum Geburtstag, der zwanzig Tage nach Weihnachten war. Groß war die Freude als ich die Spielbox in den Händen hielt und noch am selben Abend loggte ich mich ein. Ich erstellte mir meinen Charakter, eine, wie ich fand, ziemlich hübsche und kleine Waldläuferin. Das sind die Figuren mit Pfeil und Bogen.
*Am Anfang war ich schüchtern*
Am Anfang war ich recht schüchtern und traute mich kaum, etwas zu sagen (bzw. zu schreiben) oder mich lange in den Städten aufzuhalten. Guild Wars ist nämlich etwas anders aufgebaut, als die meisten anderen Online-Rollenspiele. Die meisten haben eine große Welt, auf der sich dann die einzelnen Charaktere befinden und sich auch über den Weg laufen. Bei GW trifft man sich nur in Städten und kleineren Außenposten. Verlässt man die Stadt oder den Außenposten kommt man in eine eigene Instanz, in der du und deine Gruppe auf sich alleine gestellt sind.
*Die Sucht begann sich langsam in mir zu entfalten*
Ein wichtiger Bestandteil von Guild Wars sind auch die Gilden, worauf der Name schon hinweist. Gilden sind kleine oder größere Gemeinschaften von Spielern, die sich zusammengeschlossen haben. Es gibt in jeder Gilde einen Anführer, den Leader, und Offiziere, dass sind die „Unteranführer“. Man findet recht schnell eine Gilde, da es wirklich sehr viele gibt, allerdings sind die meisten recht schlecht. Ich fühlte mich in meiner Gilde wohl, und fand schnell „Freunde“. Und die Sucht begann sich langsam in mir zu entfalten.
*Aus ein, zwei Stunden wurden sieben bis zehn*
Am Anfang war mein Spielen noch recht überschaubar, ich erledigte immer zuerst meine Schularbeiten, um dann ein, zwei Stunden zu spielen. Doch es wurde immer mehr. Die Gilde hatte sich aufgelöst, ich hatte eine neue, und wie ich meinte, noch bessere gefunden. Und immer wenn ich nicht on war, meinte ich etwas zu verpassen, was natürlich dazu führte, dass ich immer on sein wollte. Dementsprechend häuften sich auch die Spielstunden. Locker schaffte ich es am Wochenende sieben bis zehn Stunden zu spielen, unter der Woche auf Grund der Schule nicht ganz so lange.
*Ich dachte immer an das Spiel*
Mir war klar, dass ich auf eine gewissen Art und Weise süchtig war. Ich dachte immer an das Spiel, redete und diskutierte sehr gerne darüber und konnte in der Zeit, in der ich nicht spielte, nicht so wirklich mit mir etwas anfangen. Allerdings redete ich mir auch immer ein, aufhören zu können. Und ich glaube noch immer, dass ich das auch locker gekonnt hätte, hätte ich gewollt. Nur ich wollte nicht aufhören. Das Spielen machte mir Spaß. Und ich hatte dort Freunde, die ich nicht verlieren wollte. Es war wie eine kleine Welt neben der realen. Was es ja eigentlich auch war, eine virtuelle Welt, in der sich mein Charakter wohl fühlte, und wo er auch akzeptiert, ja anerkannt wurde.
*Attraktion Mädchen*
Natürlich gab es auch mal Zoff, in der Gilde oder sonst wo. Freundschaften bildeten sich, verflüchtigten sich allerdings auch genauso schnell wieder. Was mir auch immer gut getan hat, war, dass ich so etwas wie eine kleine Attraktion war. Schließlich war ich ein Mädchen! Ein Mädchen unter vielen Jungs. Natürlich gab es auch andere weibliche Spieler, doch die sind eben doch weit in der Unterzahl. Und so ein spielendes Mädchen hat durchaus seinen Reiz bei den ganzen Zockern. Nicht selten wurde mit mir geflirtet, doch das ging mir eigentlich immer zu schnell.
*Scharf auf den Titel*
Im TS, das ist so ähnlich wie Skype (also telefonieren via Internet), nur eher auf Gruppengespräche aufgebaut, wurde viel gelacht, und ich hatte meinen Spaß. Ich sagte zwar nie viel, war noch nie der Typ des Redens (schreibe lieber ;-)), doch ich hörte gerne zu. Im Allgemeinen genoss ich die Zeit, während ich spielte. Und ich nahm mir auch wirklich etwas vor, was ich schaffen wollte. Eine gewisse Summe an Geld sparen, eine Aufgabe, so genannte Quest erledigen, Titel jagen. Titel sind Auszeichnungen für besondere Verdienste. Für so einen Titel spielte ich auch an Weihnachten, als das Winterfest war, immer ein spezielles Eventspiel, dass mir Punkte für einen Titel brachte, der recht selten ist. Ich war richtig scharf auf den Titel und wollte den so hoch wie möglich haben. Es gibt nämlich immer neue Stufen des Titels. Das erste Weihnachten lief noch recht beschaulich ab, es war mehr ein Schnuppern. Natürlich bedeutete „beschaulich“ bei mir durchaus trotzdem, dass so sieben bis zehn Stunden am Tag zusammenkamen.
Autorin / Autor: auro - Stand: 18. August 2008