Geschwister für drei Wochen - Freunde für immer
Wie ein Besuch von Kindern aus der verseuchten Gegend um Tschernobyl das Leben einer deutschen Gastfamilie verändert
Ein alter Bus fährt auf den Parkplatz gegenüber des Pfarrzentrums, gespannt warten wir. Viele junge Kinder, oft nicht älter als sechs Jahre, steigen nach über dreißig Stunden Fahrt aus. Die Augen müde von der Reise, aber auch voller Erwartung; Ihr einziges Gepäck ist ein fast leerer Rucksack.
Diese Kinder kommen aus Svensk, einer Stadt in Weißrussland an der Grenze zu Ungarn. Dort explodierte vor 21 Jahren das Atomkraftwerk in Tschernobyl. Alles ist verseucht, einige Menschen leben in der „verbotenen Zone“, da sie kein Geld für eine andere Hütte haben. Die Eltern etlicher Kinder arbeiten in einer Schweinekolchose, sie bewirtschaften ihren eigenen kleinen Gemüsegarten, um zu überleben.
Unsere „Geschwister auf Zeit“ probieren zu Hause angekommen erst einmal aus, ob wirklich immer noch warmes Wasser aus dem Hahn kommt. Dann beginnt für sie die tollste Zeit des Sommers; ein Leben wie im Paradies: Schaukeln im Garten, bei jedem Flugzeug oder Hubschrauber aufspringen und voller Begeisterung empor sehen, lernen, was Verkehrsregeln sind, Arztbesuche durchstehen, mit gespendeter Kleidung ausgestattet werden, sich gestikulierend unterhalten, ein paar Brocken deutsch lernen und immer die Vorfreude auf die kommenden Tage.
Auch unsere Familie bekommt viele kleine und große Geschenke: Wir lernen unsere Umgebung und unseren Alltag wieder zu schätzen und ihn nicht als etwas selbstverständliches zu betrachten, wir spüren die Armut der Anderen plötzlich hautnah, sehen oft in erstaunte Gesichter, wenn wir uns gestenreich auf „deutsch-russisch“ unterhalten.
Drei Wochen nach der Ankunft stehen wir wieder auf dem Parkplatz, verabschieden uns mit Tränen in den Augen und freuen uns auf das kommende Jahr, den kommenden Sommer, auf ein Wiedersehen.
Autorin / Autor: kiwi7 - Stand: 13. August 2007