Eigentlich war es eine Aufgabe in der Schule – einen Brief an eine verstorbene Persönlichkeit zu schreiben. Und eigentlich sollte dieser Brief auch bei ihrer Lehrerin abgegeben werden. Doch als Laurel den Brief an Kurt Cobain beginnt, wird es ein Brief, der definitiv nicht für fremde Augen bestimmt ist. Sie schreibt nicht über irgendwas, sie schreibt über ihr Leben, über die Schwierigkeiten, plötzlich an der High School zu sein und dort niemanden zu kennen. Über den Jungen, Sky, der ihr nicht aus dem Kopf will. Über ihre Familie und über ihre tote Schwester May. Über Mays Tod.
Immer wieder schreibt Laurel Briefe an die Toten, nicht nur an Kurt Cobain, auch an Amelia Earheart, Janis Joplin und viele andere. Die Briefe sind wie ein Ventil, um all das heraus zu lassen, was in ihr vorgeht, denn gleichzeitig fühlt sich Laurel von denen, an die sie schreibt, verstanden, obwohl sie tot sind. Es sind die Dinge, die die Menschen gemacht haben, die Lieder, die sie gesungen, die Rollen, die sie gespielt haben. Und allmählich arbeitet Laurel ihre Vergangenheit auf.
Parallel schreibt sie von Gegenwart und Vergangenheit, von ihren neuen Freunden und von Erlebnissen mit ihrer Schwester und nach und nach öffnet sie sich immer mehr, bis sie frei über die Nacht schreiben kann, in der May starb. May, ihre Schwester, zu der sie aufgesehen, die ihr rettendes Boot gewesen ist.
Laurel schreibt von ihrer Liebe zu Sky und ihrer Liebe zu May, von denen Dingen, die sie nicht erzählen kann und den Dingen, die sie hätte erzählen sollen und schließlich wendet sie sich direkt an May.
Wie erzählt man von einem Buch wie diesem? Meine grobe Beschreibung der Handlung kommt keines Wegs an das Buch heran. Sie kann weder die komplexe Handlung erfassen, noch die unglaubliche Emotionalität der Geschichte vermitteln. Loveletters to the Dead von Ava Dellaira ist mehr als ein Buch. Es ist eine Geschichte voller Geschichten, die längst Verstorbene ehrt und zu neuem Leben erweckt und neben all dem Tod, der eine tragende Rolle spielt, vor Lebendigkeit sprüht.
Die besondere Form des Erzählens in Briefform ermöglicht es, dass man sich von Anfang an gut mit der Protagonistin Laurel identifizieren kann. Zudem kann man den Zeitsprüngen sehr gut folgen, wodurch keinerlei Verwirrung entsteht, auch werden die Gefühle unglaublich gut beschrieben und vermittelt, sodass man alles bestens nachempfinden kann. Die Briefe, besonders jene, die Laurel an Kurt Cobain richtet, wirken sehr persönlich und authentisch, fast schon wie ein reales Tagebuch.
Durch Klappentext und Cover – Farbverlauf von schwarz über blau bis hin zu rosa, wie bei Nacht, die sich langsam in den Tag verwandelt, dazu in Großbuchstaben der Titel und ein Mädchen, das auf dem E von Dead zu sitzen scheint – hatte ich bereits hohe Erwartungen an das Buch und das deutliche Gefühl, dass ich dieses Buch unbedingt lesen muss – und es hat mich nicht enttäuscht! Im Gegenteil, es hat sämtliche Erwartungen noch übertroffen. Nie hätte ich gedacht, eine so emotionale, mitreißende und authentische Geschichte vor mir zu haben, bei der ich mir auch die Tränen an mancher Stelle nicht verkneifen konnte.
Es werden so viele Themengebiete abgedeckt, mit so viel Intensität erzählt, dass es schwer ist, das Buch einer bestimmten Zielgruppe zuzuordnen, denn ich würde es ausnahmslos jedem empfehlen. Liebe, Freundschaft, Tod, Missbrauch, Homosexualität, Erwachsenwerden, Abschied nehmen – all das sind Themen, die Ava Dellaira in diesem wundervollen Buch untergebracht hat, ohne dass es gezwungen oder unpassend wirkt. Viel mehr könnte es glatt eine Autobiographie sein, so echt wirkt das Buch, nicht zuletzt getragen von den Liedern, Gedichten und Filmen, die erwähnt werden.
Der einzige Kritikpunkt, den ich an diesem überragenden und wunderschönen Buch finde, ist der, dass es an mancher Stelle schwieriger ist, als in anderen Büchern, die Atmosphäre richtig zu begreifen, wenn man den entsprechenden Song nicht kennt. Wer mit Nirvana nichts anfangen kann, hat es definitiv schwerer, in die Geschichte hineinzufinden, doch auch wenn man die angesprochenen Personen nicht kennt oder nicht zuordnen kann, wird dieses Buch lieben, nur einfach später damit anfangen ;).
Abschließend zusammengefasst lässt sich sagen, dass es sich, wie bereits mehrfach erwähnt, um ein authentisches, genremischendes Jugendbuch handelt, das meiner Meinung nach eins der besten Jugendbücher überhaupt ist. Es überzeugt durch Schreibstil, Handlung und Emotionen und ich kann mir bestens vorstellen, dass es auch Erwachsene in seinen Bann reißen wird!
*Erschienen bei cbt Verlag*
Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 17. Februar 2015