Jenna ist mit ihrer Mutter unterwegs auf der Tappan-Zee-Brücke Richtung Westen, die Sonne steht tief und blendet, plötzlich ist etwas auf der Fahrbahn und Jenna greift ins Lenkrad – oder wollte sie ins Lenkrad greifen? Dann war sie eine Weile weg, im Blauen, und als sie wieder da ist, ist ihre Mutter nicht mehr da.
Nach dem Unfall ist nichts mehr wie vor dem Unfall. Ihre Mom ist nicht mehr da, zu ihrem Vater hat sie fast keinen Kontakt mehr, seit dieser die Familie vor einigen Jahren verlassen hatte. Nun zieht sie zu ihrer Tante Caroline nach Yarrow Lake, in eine neue Schule, wo sie niemanden an sich heranlässt. Nur Crow, der Junge, der ihr am Anfang geholfen hatte, als sie beim Laufen fiel, ist irgendwie anders. Sieh mal, du läufst wie ich, wie auf dünnem Eis, hatte er zu ihr gesagt. Er sah sie, wusste was passiert war, ohne dass es ihm gesagt wurde. Doch Crow war in der Schule außer Reichweite, und durch eine seltsame Begebenheit auf der Mädchentoilette wurde Trina zu Jennas bester Freundin. Sie zeigt Jenna ihre Welt – eine Welt voll Alkohol und Drogen – die das traumatisierte Mädchen erst recht in gefährliche Situationen bringt.
Und am Ende ist es wieder Crow, der ihr hilft, über die Brücke zu gehen, den Unfall zu sehen, wie er war, und die Angst hindurch zu lassen.
„Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel aus und flog davon“ ist ein sehr spezielles Buch. Innerhalt von wenigen Stunden hatte ich es ausgelesen, und doch weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll. Was mir auf jeden Fall sehr gefallen hat, sind die einzelnen Charaktere. Sie sind authentisch, jeder für sich etwas Besonderes, und die Geschichte lebt nur durch sie. Die Story alleine könnte ohne sie nicht leben, da außer dem Unfall am Beginn nicht wirklich etwas sonderlich Spektakuläres passiert. Wer gerne Romane liest, in denen die Spannung durch ständige Plottwists aufrecht erhalten wird, ist hier fehl am Platz.
„Nach dem Unglück“ ist vielmehr ein Monolog aus Jennas Sicht. Als Leser verfolgt man eher passiv das Geschehen, und JC Oates hat einen sehr gewöhnungsbedürftigen Schreibstil (manche Sätze erstrecken sich über mehr als 10 Zeilen!) was ich teilweise als sehr gut, teilweise allerdings auch als schlecht empfunden habe. Im Krankenhaus, wenn Jenna aufgrund der Schmerzmittel noch nicht ganz da ist, hat mir dieser Schreibstil sehr gut gefallen, da er einen gut in Jennas Situation hineinversetzt. Später allerdings, wenn Jenna schon wieder physisch geheilt ist, hat mich die extreme Passivität gestört. Wahrscheinlich soll sie unterstreichen, wie alles an Jenna vorbei geht und ihr Trauma besser herausbringen, aber mir persönlich ist besonders im Mittelteil das Lesen auch manchmal schwer gefallen.
Ein weiterer, sehr positiver Aspekt des Romans ist Crow. Auf den ersten Eindruck ein furchterregender Biker, der sich aber als sehr einfühlsam und charakterstark herausstellt. Hierbei hat mir besonders gefallen, dass Oates ihn nicht übertrieben oft eingesetzt hat, sondern wirklich nur portionsweise. Diese wenigen, kleinen Szenen waren mit Abstand meine Lieblingsszenen im Buch.
Ich kann das Buch an all jene weiterempfehlen, die gerne Romane lesen, in denen nicht die Action im Vordergrund steht, sondern eher die Tiefe der Story. Es ist eindeutig eine Geschichte, über die man auch nach Beiseitelegen des Buches noch nachdenken muss.
*Erschienen bei dtv*
Autorin / Autor: klexx - Stand: 30. Juni 2015