Eigentlich ist der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen. Trotzdem beobachtet man schon bei kleinen Kindern, dass sie unterschiedlich gut darin sind, mit anderen zu teilen. Während die einen ihr Spielzeug mit Freude anderen überlassen, bekommen die anderen schon Tobsuchtsanfälle, wenn jemand ihren Teddybären etwas zu lange anschaut. Wissenschaftler_innen können anhand dieses Verhaltens die Ursprünge und Entwicklungen des prosozialen Verhaltens bei Kindern untersuchen, also ihre Bereitschaft, freiwillig etwas für andere zu tun. Markus Paulus, Professor für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der frühen Kindheit an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Professor Chris Moore von der Dalhousie University in Halifax zeigen nun in einer Studie, dass die Bereitschaft von Vorschulkindern, anderen etwas zu geben, davon abhängt, wie gut sie die Gefühle ihres Gegenübers voraussehen können.
Für ihre Studie ließen die Forscher 82 Kinder Kindergartenkinder zwischen drei und sechs Jahren einschätzen, wie es einem anderen Kind oder ihnen selbst geht, je nachdem, ob man mit ihnen teilt oder nicht. Dabei zeigte sich: Kinder haben ein unterschiedliches Verständnis dafür, wie es sich anfühlt, nichts zu bekommen. Und je ausgeprägter dieses Verständnis ist, je großzügiger verhalten sie sich. „Je besser die Kinder vorhersagen konnten, dass man sich schlecht fühlt, wenn nicht mit einem geteilt wird, desto mehr waren sie in einer späteren Situation bereit, anderen etwas zukommen zu lassen“, fasst Markus Paulus das Ergebnis zusammen.
*Großzügigkeit lernen*
Die Kinder wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt. Während die erste Gruppe einzeln gebeten wurde, darüber nachzudenken, wie sie sich fühlen würde, wenn man mit ihnen teilt oder auch nicht, sollte die zweite Gruppe darüber nachdenken, wie es einer anderen Person in dieser Situation ginge. Danach sollten die Kinder Sticker zwischen sich und einem (nicht anwesenden) Dritten verteilen. Ihr Verhalten wurde mit einer dritten Gruppe von Kindern verglichen, die sich solche Gedanken nicht vorab machen sollten.
„Sich über die Folgen, die das Teilen für die Emotionen hat, klar zu sein, beeinflusst das Verhalten“, sagt Paulus. „Jene Kinder, die darüber nachgedacht haben, wie das Teilen Gefühle beeinflusst, waren großzügiger.“ Dabei ist die mögliche Enttäuschung leer auszugehen, offenbar eine größere Motivation, etwas abzugeben, als die Freude, die sie durch das Teilen einem anderen machen können. „Eine mögliche Erklärung hierfür könnte der so genannte „negativity bias“ sein, wonach wir von negativen Emotionen stärker beeinflusst werden als von positiven“, sagt Paulus.
Bereits ab drei Jahren seien Kinder in der Lage, die Gefühle eines anderen vorwegzunehmen. Wie gut sie das konnten, war individuell in allen Altersgruppen verschieden. „Kinder in den ersten zwei bis drei Lebensjahren lernen stark über Emotionen. Studien von Kollegen belegen zum Beispiel, dass Kinder, deren Eltern häufig mit ihnen über Gefühle sprechen, Emotionen bei anderen besser antizipieren können“, sagt Paulus. Seine Studie zeige nun, wie sich die Bereitschaft von Kindern, mit anderen zu teilen, fördern lässt. „Es hilft, ihnen die negativen Gefühle aufzeigen, die ein anderer hat, wenn er leer ausgeht“, sagt Paulus. Ob das wohl auch noch bei Älteren funktioniert? ;-)
Autorin / Autor: Redaktion/Pressemitteilung - Stand: 22. Mai 2015