So wüst und schön sah ich noch keinen Tag

Autorin: Elizabeth LaBan
gelesen von Andreas Fröhlich und Nicolás Artajo
ab 12 Jahren

Hörbuchcover

Duncan ist in seinem letzten Internatsjahr an der Irving School und darf endlich sein neues Zimmer im Gebäude der Oberstufenschüler beziehen. Genauso ging es Tim ein Jahr zuvor. Tim Macbeth, der Außsenseiter der Schule, hat das gleiche Zimmer wie Duncan bewohnt und wie es an der Irving School Tradition ist, hat er Duncan einen Schatz hinterlassen. Doch während die anderen Jungen Alkohol-Schätze in ihren Zimmern finden, hat Tim Duncan CDs hinterlassen, auf denen er von seinem letzten Jahr am Internat berichtet. Genau das Jahr, das in einer Katastrophe endete und an das sich Duncan auf gar keinen Fall erinnern möchte. Trotzem schiebt Duncan die erste CD in den Laptop und hört Tim zu. Schnell ziehen die CDs Duncan in den Bann und er kommt von Tims Geschichte um Freundschaft und Krankheit nicht mehr los.

Das Buch als Hörbuch zu hören hat einen großen Vorteil - man fühlt sich genau so wie Duncan, der Tim zuhört. So wirkt die Erzählung noch echter und man kann viel besser in die Geschichte eintauchen. Besonders toll ist, dass Duncans und Tims Teile von zwei verschiedenen Sprechern gelesen werden. So weiß man immer, welchem Jungen man gerade lauscht. Einer der Sprecher ist Anderas Fröhlich, der auch einem Detektiv der drei ??? die Stimme leiht. Das kann manchmal etwas irrtieren, aber insgesamt gewöhnt man sich schnell daran, dass hier kein Detektivhörspiel erzählt wird.

Die gute Leistung der beiden Sprecher tröstet dann auch über die eher seichte Geschichte hinweg. Während der Anfang wirklich stark ist und tolle Bilder erzählt (z.B. steht die Welt nahezu still nachdem es heftig gescheint hat), flacht die Story leider immer mehr ab. Ständig wartet der Hörer darauf, dass etwas passiert und dann passiert doch nichts. Auch werden Duncans Gefühle, die sich nicht auf Tims CDs beziehen, nur oberflächlich beschrieben. Aus Duncans Liebesgeschichte hätte man deutlich mehr machen können. Stattdessen gibt es immer nur kurze Gedanken zu Daisy (Duncans Auserwählte), sodass kein richtiges Kribbeln im Bauch aufkommen mag. Auch das Ende der Geschichte wird fulminant angekündigt. Tim und Duncan deuten immer wieder an, dass im vergangenen Schuljahr etwas Schreckliches passiert sein muss, verraten aber nicht, was es war. Gespannt wartete der Hörer auf die Auflösung. Tatsächlich endet die Geschichte in einem tragischen Ereignis. Weil das aber groß und ständig angekündigt wird, wird der Hörer aber enttäuscht.

Elizabeth LaBan, die Autorin, scheint eine große Shakespear-Liebhaberin zu sein. Immer wieder stößt der Hörer auf Figuren und Anlehungen aus Shakespaers Stücken. So sollen die Schüler einen Jahresaufsatz zum Thema Tragödien schreiben und dazu natürlich auch die Werke des großen Autors lesen. Die Begriffe, die die Hauptfiguren dabei lernen, beziehen sie auch gleich auf ihr eigenes Leben. So versuchen sie die Ereignisse um sich herum in Ordnung - Chaos - Wiederherstellung der Ordnung einzuteilen. Auch die Namen der Hauptcharaktere fallen jedem, der sich grob mit Shakespear beschäftigt hat, sofort ins Auge. Tim heißt mit Nachnamen Macbeth und Duncan ist nicht nur der Name der Hauptfigur in "So wüst und schön sah ich noch keinen Tag", sondern auch der Widersacher Macbeths im selbigen Drama. Auch die Struktur der gesamten Geschichte orientiert sich an der Dramengattung Tragödie. Elizabeth LaBan erklärte in einem Interview wirklich, dass sie eine moderne Tragödie schreiben wolle, die sich nicht mehr zwanghaft an den klassischen Kategorien orientiere. Das ist ihr mit dem (Hör-)Buch gelungen. Allerdings hätte sie etwas mehr Wert auf die Ausgestaltung des Gefühlsleben der Figuren als auf die Struktur der Erzählung legen können. Dann wäre es eine wirklich runde Geschichte geworden.

*Erschienen bei Der Audio Verlag*

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Autorin / Autor: missmarie - Stand: 21. Juli 2016