Teenagern wird häufig ein großer (negativer) Einfluss auf den Sprachwandel zugeschrieben. Eine Studie hat nun gezeigt, dass die Jugend nicht alleinverantwortlich ist, und betont, dass Veränderung nichts Schlechtes ist.
Jährlich wird das „Jugendwort des Jahres“ gekürt und dauernd wird auf den Einfluss von Teenagern auf Sprache hingewiesen. Viele beklagen, dass unsere Ausdrucksweise immer schlechter wird und geben der Jugend die Schuld. Diese Angewohnheit ist schon Jahrhunderte alt. Aber eine linguistische Untersuchung der Kansas State University ergab, dass Teenager nicht in dem Ausmaß für den Sprachwandel verantwortlich sind wie die meisten annehmen.
„Unsere Forschung hat gezeigt, dass Teenager kreativ mit Sprache umgehen, aber nicht notwendigerweise auf konsistente Art. Wir schließen nicht aus, dass Teenager eine Veränderung herbeiführen, aber es könnte sein, dass die Rolle, die sie spielen, überschätzt wird“, sagt Mary Kohn, Hilfsprofessorin für Englisch. Sie vertritt die Meinung, dass Sprachwandel keineswegs schädlich, sondern einfach menschlich ist, und zeigt in ihrer Studie, wie sich Sprache über Zeit verändert und variiert. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht nur Teenager sind, die den Sprachwandel verursachen. Denn der Sprachgebrauch verändert sich ein Leben lang, nicht nur während der Jugend.
Außerdem ist Sprachwandel eine äußerst individuelle Angelegenheit, es gibt keineswegs eine einzige Veränderung, die jeder Mensch im Rahmen seiner Entwicklung durchläuft. Da der Mensch aber ein Gewohnheitstier ist und jeder Veränderung erstmal skeptisch gegenübersteht, suchen viele gerne einen Sündenbock oder überdramatisieren den Einfluss von Teenagern auf die Sprache.
„Oft denken Leute, dass Teenager die Sprache zerstören, weil sie SMS schreiben oder Abkürzungen oder Slang benutzen“, sagt Kohn. „Aber unsere Sprache entwickelt und verändert sich konstant und wird zu dem, was die Generation, die sie gerade spricht, braucht. Als Linguistin finde ich das sehr spannend, weil es zeigt, dass unsere Sprache lebt.“
Um den Sprachwandel genauer erforschen zu können, griff Kohn auf eine Database zurück, die die Entwicklung von 67 Kindern von Kindheit bis in die frühen 20er dokumentiert, das Frank Porter Graham Project. Darin sind Sprachaufnahmen aus praktisch jeder Entwicklungsphase der Kinder gespeichert, genauso wie Aufnahmen von Verwandten, Freunden und Lehrern. All dies sind wertvolle Informationen zur Untersuchung der Veränderung von Sprache während des Aufwachsens.
Kohn untersuchte die Schallwellen der Aufnahmen, um die Aussprache genauestens messen zu können. Sie konzentrierte sich auf die Entwicklung von 20 Individuen während vier verschiedener Zeitabschnitte: vierte Klasse, achte Klasse, zehnte Klasse und die Nachschulzeit im Alter von 20 Jahren. Mit diesem Vergleich maß Kohn die Aussprache der Individuen, um herauszufinden, ob sie sich während der Jugend drastisch verändert.
„Die Teenager-Untergruppe stach nicht unter den andern Gruppen hervor, was heißt, dass es nichts Besonderes ist, ein Teenager zu sein“, sagt Kohn. „Nur weil man Teenager ist, heißt es nicht, dass man seine Sprache verändern wird. Vielleicht sind unsere Vorurteile über die Sprachweise von Teenagern auf Gruppen begründet, die besonders hervorstechen. Uns fallen die Kindern auf, die gewagte Fashion-Statements machen, also könnten uns auch nur diejenigen ins Auge fallen, die dramatische linguistische Veränderungen verursachen.“
Andere Untergruppen durchgehen ebenfalls einen Sprachwandel. Kohn schlägt vor, dass die Anfänge der Sprachveränderung schon in kleinen Kindern zu beobachten sind. Wenn sie zur Schule gehen, stehen sie nicht mehr ausschließlich unter dem Einfluss der Eltern und dies könnte der entscheidende Punkt sein, an dem Sprache anfängt, sich zu verändern. Während der Zeit auf der weiterführenden Schule fangen Teenager häufig an, ihre eigene Identität zu erforschen und könnten sich erneut dazu entscheiden, ihre Aussprache zu verändern und Sprache als Teil ihrer Identität zu verwenden. Wenn sie dann erwachsen werden und die Uni abschließen oder einen Job finden, könnten sie ihre Sprache erneut verändern um professioneller zu erscheinen und den Anforderungen ihres Jobs und dem Druck der Arbeitswelt gerecht zu werden, erläutert Kohn. Teenager nutzen Sprache also, um Bindungen mit Gleichaltrigen zu erzeugen, während Erwachsene sich akademischer ausdrücken.
„Alle Sprachen verändern sich während Generationen aufwachsen und sich durchs Leben bewegen, das war schon die ganze Geschichte hindurch so. So lange es lebende, atmende und sprechende Menschen gibt, werden wir neue Wörter erfinden. Wir werden neue Sprecharten entwickeln“, meint Kohn.
Sprache ist also ein wandelbares Ding und wird nicht immer gleich bleiben. Das merkt man deutlich, wenn man Werke von Goethe oder Schiller liest. Vielleicht lässt sich an diesem Beispiel gut veranschaulichen, dass Veränderung nicht immer schlecht sein muss ;-)
Autorin / Autor: Jana Schaefer - Stand: 20. Januar 2016