Ein Mädchen taucht vor dem Hintergrund eines Farbverlaufs von Dunkelblau zu hellem Türkis. Leicht schief über die ganze Seite ein Schriftzug in vier Zeilen weißer Lettern. „Das Jahr, in dem sich Kurt Cobain das Leben nahm“ – der Debütroman der chicagoer Lehrerin Jessie Ann Foley. Auf dem Backcover wird der Roman mit vier Attributen versehen: wild, laut, gefühlvoll, frei. Und das ist er tatsächlich. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, aber statt melancholisch zu werden, erweckt die Autorin auf beeindruckende Art und Weise die 1990er Jahre zu neuem Leben, als wären sie die Gegenwart. Foley schafft es, nicht nur zu beschreiben, sondern das Gefühl, den Spirit, das, was wir letztlich heute noch in der Grungemusik in „unsere“ Zeit weitergegeben bekamen, greifbar zu machen, in einer wundervollen Geschichte über den Glauben an sich selbst und andere, übers Erwachsenwerden, über das Hinfallen und Aufstehen, Dummheiten machen, das Leben an sich und eine Liebe, ungestüm, rebellisch und märchenhaft schön.
Der Roman erzählt von der 16-jährigen Maggie, in einem Zeitraum von September 1993 bis Mai 1995, auf knappen 300 Seiten voll Leben. Gegen Ende des Jahres 1993 zieht Maggie mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester Ronnie in die Heimat des neuen Mannes ihrer Mutter. Weg aus Chicago, USA, in das ländliche Dorf Bray, Irland, eine knappe Stunde von Dublin entfernt. Obwohl sie in Irland eine gewisse Schönheit zu entdecken und lieben lernt, ist Maggie hier sehr einsam. Im Gegensatz zu Ronnie fällt es ihr schwer, neue Freundschaften zu finden, und überhaupt, daheim, in Chicago ist doch auch Kevin, ihr Onkel, der nicht allzu viel älter ist als sie selbst und mehr für sie ist, als nur ihr Onkel: großer Bruder, bester Freund. Er ist es, der ihr die wirklich wichtigen Dinge beibringt, über das Leben und die Musik.
Als er sich um Weihnachten herum das Leben nimmt, bricht für Maggie ihre kleine Welt vollends zusammen, auf einmal befindet sie sich an einem Punkt wo sie vieles hinterfragen muss. Halt in dieser Zeit geben ihr der 99 Jahre alte Nachbar Dan Sean, der für sie eine Art Freund, Großvaterersatz und Guru ist, und Eoin, ein Junge kaum älter als sie, der zwar sein eigenes Päckchen zu tragen hat, aber vielleicht die eine große Liebe ist.
Obwohl alles immer nur komplizierter zu werden scheint, findet Maggie letztlich doch noch ihr Licht in einem langen dunklen Tunnel: zwei Tickets für ein Nirvana Konzert in Rom, mit der Aufforderung ihres Onkels, sich den Jungen zu schnappen, den sie liebt und ohne über Konsequenzen nachzudenken, einfach nach Rom zu reisen und das Konzert anzuschauen. Wenn man so will, Kevins letzter Wunsch.
Natürlich musste ich, meines Zeichens selber Anhängerin der „ursprünglichen“ Grungemusik und absoluter Irlandfan, diesen Roman unbedingt haben – und er hat mich dennoch überrascht. Wortgewandt und mit einer Bandbreite an Emotionen derart greifbar, wurden meine doch recht hoch gesteckten Erwartungen sogar noch bei weitem übertroffen, sodass ich den Roman in kaum mehr als 3 Tagen verschlungen hatte. Dennoch regt auch viel zum Nachdenken an, über das Leben, die Welt und das, was wirklich wichtig ist. Ich kann hier nur eine dringende Empfehlung aussprechen, auch wenn ihr mit Nirvana, Irland und Grunge nichts am Hut habt. Es ist einfach ein wundervolles Buch, das in keinem Bücherregal fehlen sollte. Definitiv einer meiner „Top Reads 2016“!
*Erschienen bei One*
Autorin / Autor: cheshirekitty - Stand: 3. August 2016