Erfundene Hobbys, ausgedachte Stärken
Studie zeigt, welche Strategien Jobsuchende bei Bewerbungen anwenden, um interessanter zu wirken
Um die Traum-Stelle zu bekommen, reichen heute nicht mehr nur die nötigen fachlichen Voraussetzungen, sondern man muss sich auch darum kümmern, dass die Bewerbungsunterlagen ansprechend sind und man gut vorbereitet ins Bewerbungsgespräch geht. Welche Strategien Bewerber_innen im Bewerbungsprozess anwenden, zeigt eine aktuelle Online-Befragung von rund 1000 Teilnehmer_innen zwischen 17 und 66 Jahren, die Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück durchgeführt hat.
*Die Unternehmenswebseite ist Top-Informationsquelle*
Nach seinen Erkenntnissen geht die Mehrheit von Anfang sehr gezielt vor, um ihre Chancen zu verbessern. Diejenigen, die sich in den letzten fünf Jahren beworben haben, gehen sogar noch strategischer vor als diejenigen, deren letzte Bewerbung schon länger zurückliegt. Die mit 86 Prozent am ehesten verbreitete Strategie, um sich auf eine Bewerbung oder ein Bewerbungsgespräch vorzubereiten, ist die Recherche auf Unternehmenswebsites. Rund die Hälfte der Befragten reden auch vorher mit Freund_innen oder Bekannten, um sich sicherer zu fühlen. 77 Prozent gaben an, dass sie zwar das Lesen von Ratgeberliteratur zur Vorbereitung auf ein Assessment Center sinnvoll fänden, lediglich 53 Prozent zogen entsprechende Bücher aber auch wirklich zu Rate.
*Lieber doch ein Foto beilegen*
Die gleiche Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten zeigt übrigens sich in der Frage des Bewerbungsfotos. Mehr als 90 Prozent der Befragten legten ihrer Bewerbung ein Foto bei, obwohl nur gerade einmal die Hälfte glaubt, dass Fotos etwas über die berufliche Eignung verraten. „Seit 2006 ist es Arbeitgebern eigentlich untersagt, Fotos anzufordern. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass viele Bewerber eher strategisch agieren“, erklärt Uwe Kanning. „Sie gehen davon aus, dass Personalverantwortliche auch heute noch das Fehlen eines Bewerbungsfotos negativ bewerten – und das zu recht, wie wir aus eigenen Befragungen zum Thema wissen.“
*Ausgedachte Hobbys*
Der Druck, sich von der Flut der Mitbewerber_innen abzuheben, scheint groß zu sein, trotzdem laden sich mehr als 60 Prozent der Befragten Vorlagen für ihre Bewerbungsunterlagen aus dem Internet herunter und überarbeiten diese dann für ihre Zwecke. Um sich interessanter zu machen, denken sich 42 Prozent dann Hobbys aus, von denen sie glauben, dass sie positiv bewertet werden. Auch für das Einstellungsinterview denken sich 90 Prozent Stärken aus, von denen sie glauben, dass der Arbeitgeber sie hören will. 70 Prozent gaben an, selbst schon einmal im Bewerbungsgespräch Fragen gestellt zu haben, bloß um interessiert zu wirken.
„Bisher hat sich die Personalauswahlforschung vor allem mit dem Faking, also dem Vorgaukeln einer nicht vorhandenen Eignung, und der Selbstdarstellung von Bewerberinnen und Bewerbern beschäftigt“, sagt Uwe Kanning. „Meine Untersuchung weist darauf hin, dass Bewerberinnen und Bewerber über diese beiden Strategien hinausgehend eine Vielzahl strategischer Verhaltensweisen gezielt einsetzen, um den Bewerbungsprozess positiv zu beeinflussen.“ Insgesamt entstehe der Eindruck, dass Bewerber_innen inzwischen sehr gut auf die Standardverfahren vorbereitet sind.
Die Ergebnisse der Befragung wurden gerade in der „Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie“ veröffentlicht.
Quelle
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 1. Februar 2017