zweiheimisch“

Bikulturell leben in Deutschland (12 Porträts)

Hand in Hosentasche mit

90% der Schulabgänger sind deutscher Herkunft, weniger als 10% sind Kinder von Immigranten. Dennoch macht diese Minderheit die größte Gruppe von Hauptschülern und Schulabbrechern aus. Ein direkter Vergleich der Abschlüsse deutscher und ausländischer Schüler ist erschreckend – und bedient das gängige Klischee von schlecht integrierten, lernunwilligen Immigranten:

Statistiken sind jedoch eine schwierige Quelle: sie verallgemeinern, geben Durchschnittswerte an, zeigen einen „Trend“ – aber sie lassen die Realität außer Acht, die sich aus vielen Einzelschicksalen zusammensetzt, die so unterschiedlich sind wie die Karrieren von Lieschen Müller und Angela Merkel.

Genau hier setzt die Körber-Stiftung mit ihrer Veröffentlichung „zweiheimisch – Bikulturell leben in Deutschland“ an.
Zweiheimisch sind Menschen, die mit zwei Kulturen aufgewachsen sind, in zwei Kulturen leben – Immigranten. Aus dieser Bikulturalität ergeben sich, neben vielen Schwierigkeiten in der Sprache und Mentalität ungeahnte Chancen, den kulturellen Reichtum auszuschöpfen. Die 23jährige Nazli bringt es auf den Punkt: „Ich bin Deutsche und Iranerin und versuche, das Beste aus beiden Identitäten zu kombinieren. Manchmal ist das ein innerer Kampf, der mich blockiert. Meistens ist es ein Ansporn, der mich weiterbringt.“.
Die Geschichten der 12 in diesem Buch porträtierten Jugendlichen sind so unterschiedlich wie motivierend, gemeinsam ist ihnen eine positive Lebenseinstellung, eine ungeheure Charakterstärke und, ja, Charisma, das noch durch die Buchseiten und die Fotos spürbar ist.

Da ist der 17jährige Gymnasiast Mehmet Simsek, der, von seinen Lehrern auf die Hauptschule geschickt, schließlich am Gymnasium eine Klasse überspringen konnte – und erst dann das Gefühl hatte „Jetzt bin ich da, wo ich hingehöre.“

Oder Hamed Attarbashi, Basketballtrainer in Paderborn, der von seiner Mutter früh gelernt hat „ein kluger und moralisch handelnder Mensch (zu) sein.” Als Sportler ist ihm bewusst „Talent plus Training gibt Erfolg.“ – da spielt es keine Rolle, aus welchem Land einer kommt. Obwohl gerade er schon früh gegenteilige Erfahrungen machen musste – wenn die Mutter eines Schulfreundes seinen vorher geschlossenen Ranzen durchwühlt, mit der Begrünung, es hätte etwas hineingefallen sein können, wenn er als „Schwarzfahrer“ in der S-Bahn von der Polizei in Handschellen nach Hause gebracht wird, dann ist das nicht nur ungerecht, sondern diskriminierend. Hamed jedoch findet dies alles bloß „merkwürdig“.

Da ist auch die 19jährige Abiturientin Jennifer, die in der Musik ihre Ausdrucksform gefunden hat und an der Musikhochschule Komposition und Gesang studieren will. Selbstbewusst und offen schaut sie in ihre Zukunft: „Ich habe meinen eigenen Stil. Ich habe meine Sicht der Dinge. Und davon kann mich keiner abbringen.“

Die Geschichten von Nazli, Mehmet, Jennifer oder Hamed zeigen ein anderes, ein positives Bild der „Migrantenszene“, die gar nicht als solche verallgemeinert werden kann – „die Migranten“ sind eine ebenso bunt gemischte Gruppe wie „die Deutschen“. Viele faszinierende Einzelschicksale, sowohl Niederlagen, die in der Medienöffentlichkeit so gerne breitgetreten werden, als auch Erfolgsgeschichten, wie sie dieses Buch erzählt, zeichnen diese Gruppe aus.

„Zweiheimisch“ gibt Impulse zu einer neuen Weltsicht, Anstoß zu einem Perspektivenwechsel, zu einer neuen Offenheit – zu einem Dialog der Kulturen, wie ihn die portraitierten bikulturell aufgewachsenen Jugendlichen täglich erleben.

Autorin / Autor: firstmary - Stand: 13. November 2007