Wann Hasi und Stoffel gehen sollten
Wissenschaftler erforschten, welche emotionale Rolle Kuscheltiere insbesondere für Borderline-Patientinnen spielen
Egal, ob sie nun Brummi, Hasi oder Stoffel heißen - Kuscheltiere sind für viele Kinder wie echte Freunde. Sie haben eine schützende und heilsame Wirkung, denn sie spenden Wärme, Trost und Nähe. Aber nicht nur Kinder profitieren von diesen stummen, anspruchslosen Wesen; wie Wissenschaftler der Universität Ulm nun herausfanden, bauen insbesondere Borderline-Patient_innen eine intensive emotionale Bindung zu Kuscheltieren auf. Brummi und Co. helfen ihnen nämlich dabei, ihre Gefühle zu regulieren, besonders wenn sie verstärkt unter Bindungsängsten oder Depressivität leiden.
*Kuscheltiere als "Übergangsobjekte"*
„Kuscheltiere haben für kleine Kinder eine besondere emotionale Bedeutung. In der Bindungstheorie gelten sie als ein sogenanntes Übergangsobjekt, das die frühe Mutter-Kind-Beziehung repräsentiert. Es erinnert das Kind an die Mutter und stellt eine Brücke zwischen ihm und der Außenwelt dar“, erklärt Professor Markus Kiefer vom Universitätsklinikum Ulm. Aber auch für Erwachsene können solche Übergangsobjekte emotional sehr wichtig sein. So ist aus dem Klinikalltag schon länger bekannt, dass Patient_innen, die ein oder mehrere Kuscheltiere in ihrem Zimmer haben, häufig unter Persönlichkeitsstörungen leiden. Tagsüber helfen sie den Patienten dabei, sich zu beruhigen und nachts dienen sie als Einschlafhilfe. „Wenn sich Erwachsene von ihren Stofftieren nicht lösen können, weil diese eine besonders wichtige emotionale Bedeutung haben, ist dies ein Hinweis auf Defizite in der Emotionsverarbeitung sowie auf einen unsicheren Bindungsstil“, so Professor Carlos Schönfeldt-Lecuona, Oberarzt an der Klinik und Mitautor der Studie. Ein Team um die beiden Wissenschaftler hat nun erforscht, welche emotionale Rolle solche Kuscheltiere insbesondere für Borderline-Patientinnen spielen.
Wer unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leidet, hat eine psychiatrische Erkrankung, die unter anderem durch emotionale Instabilität und Impulsivität gekennzeichnet ist sowie durch Bindungsängste und häufig auch durch Depressivität, erklärt der Psychiater Schönfeldt-Lecuona. Gemeinsam mit anderen Fachkollegen untersuchten der Psychologe und der Psychiater, wie sich die Wahrnehmung von Bezugskuscheltieren bei 16 Borderline-Patientinnen auf die Aktivität bestimmter emotionaler Hirnareale auswirkt. Die Forscher zeigten den Studienteilnehmerinnen Bilder ihres Lieblingskuscheltiers sowie Bilder von emotional neutralen Kuscheltieren. Dabei maßen sie die Hirnströme mit dem Elektronenzephalogramm (EEG) und verglichen sie mit den Ergebnissen einer Kontrollgruppe. Hatten die Versuchspersonen ihre persönlichen Kuscheltiere gesehen, wurden ihre frontalen Hirnareale, die mit der persönlichen emotionalen Bedeutsamkeit in Verbindung gebracht werden verstärkt aktiviert. Dieser Effekt war umso stärker, je depressiver die Person und je größer die Angst war, eine geliebte Bezugsperson zu verlieren.
*Zu enge Bindung zu Kuscheltieren als diagnostischer Hinweis*
„Mit dieser Studie konnten wir eine Brücke schlagen zwischen Beobachtungen aus dem klinischen Alltag und neurobiologischen Prozessen im Gehirn“, betonen die Ulmer Wissenschaftler. „Eine enge emotionale Bindung zu Stofftieren kann ein deutlicher diagnostischer Hinweis auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung sein“, glauben die Forscher. Möglicherweise hilft das Wissen um diese Zusammenhänge auch dabei, den Erfolg einer psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung zu bestimmen. Verringert sich die Bindung zum Kuscheltier, zeigt dies eine verbesserte Bindungs- und Emotionsverarbeitung an. Landet das einst so innig geliebte Kuscheltier nun unbeachtet im Schrank, heißt das wohl nichts anderes, als dass man sich stark genug fühlt für die Welt da draußen. Egal ob man nun groß ist oder klein, heißt es in den Forschungsergebnissen.
Aber keine Panik: Solltet ihr euch bei Reisen oder sonstigen ungewöhnlichen Ereignissen auch nicht so gut von eurem Kuscheltier trennen können, heißt das nicht gleich, dass ihr eine Persönlichkeitsstörung habt. Es gibt auch sehr viele gesunde Menschen, die sich gelegentlich Trost und Gemütlichkeit bei ihrem Kuscheltier holen ;-)
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. November 2017