Sie hörte sich noch "Gute Nacht" sagen. Sie wusste noch, dass sie sich hinlegte. Sie wusste auch noch, dass es um sie herum plötzlich dunkel wurde. Aber wie sie HIER herkam konnte sich Sitami nicht erklären.
Sie wollte sich umsehen, wurde aber von einem hellen Licht geblendet. Kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können, hörte aber nur noch die fremde Stimme. Die fremde Stimme einer anderen Welt, die zu ihr sprach: "Tritt näher... komm, komm zu uns... du musst uns helfen... du... du... du... musst uns helfen..." Sie verklang. "Wer bist du?" Keine Antwort. "Wo bist du?" "Du wirst zu uns finden." Da erkannte sie, dass es mehrere Stimmen waren, die zu ihr sprachen.
Sie wusste nicht warum, aber sie rannte, ohne zu sehen wohin. Sie rannte, schneller, als sie es je tat. Wie viel langsamer war sie früher gerannt? Wann war früher? Wo war es? Das war ihr egal. Sie war HIER. Und irgendwie gefiel ihr es HIER. HIER wollte sie bleiben für immer. "Sitami... du musst uns helfen. Aber du kannst hier nicht bleiben. Denk daran: du musst auch wieder zurück." Zurück? Ja, zurück zu ihren Freunden. Aber nicht jetzt, sie musste den Stimmen helfen. Sie rannte weiter. "Sitami... beeile dich... du hast es fast geschafft... du musst uns befreien... Sitami..." Da tauchte vor ihr ein großes Schloss auf. So groß und so prächtig. Und so hell. Und so warm und so einladend. Das große weiße Tor ging von allein auf. Sie trat ein. "Sitami... willkommen... Bitte, hilf uns... Geh zu der Truhe und öffne sie ..." Eine Truhe, eine Truhe. Wo ist eine Truhe?
Sie rannte eine steinerne Wendeltreppe hinauf, die wie aus dem Nichts vor ihr auftauchte. Die Bilder von den seltsamen magischen Wesen, die an den goldenen Wänden hingen, beachtete sie nicht. Da erschien eine Tür. Sitami wunderte sich nicht mehr über plötzlich erscheinende Gegenstände. Sie öffnete die Türe und sah die Truhe. Sie war nicht besonders groß. Jedoch auch nicht klein. Verziert mit Perlen. Den schönsten Perlen, die sie je gesehen hatte. Sie war wunderschön. Das Schönste, was sie je gesehen hatte. Wann hatte sie das letzte Mal etwas gesehen? Das war jetzt egal. Diese Stimmen, kamen sie von hier? "Sitami, öffne die Truhe... sei vorsichtig..., gib Acht. Hinter dii....." "Seid endlich still!" Sitami riss ihren Kopf herum und starrte auf das Wesen, das gesprochen hatte. "A-aber, WAS bist du den?" Die schwarze Schuppenhaut des Wesens schien so hart und die kalten Augen starrten auf Sitamis blonde lange Haare, auf ihren bleichen zarten Körper, auf ihre großen grünen verängstigten Augen, und die Stimme des Wesens antwortete ihr: "Du willst wissen, WAS ich bin? Ich bin eine Angst. Eine Angst, entstanden um die Hoffnung dieser Welt zu fangen und zu vernichten". "Was ist dies für eine Welt?" "HAHA, DAS ist die Welt der Zunkunft, eine hoffnungslose Zeit. Ich bin ihr Herr. Die Angst. In dieser Welt gibt es keine Emotionen. Keine Hoffnung. Sie ist tot." "Nein, das kann nicht sein, die Hoffnung lebt noch". "Jaa,wir leben... noch... Sitami... öffne die Truhe... dann sind wir frei....."
"Du bist schon zu weit gekommen. Wie ich höre, heißt du Sitami. Ich weiß, was du bist. Du bist ein Mensch von damals. Aber du bist nicht wie die Menschen, bei denen du lebst. Ich weiß, dass deine wirklichen Eltern dich hassen. Sie haben dich verstoßen, Sitami. Du bist allein. Du bist allein nach Tokio ausgewandert, um ein neues Leben zu beginnen. Hah, ein neues LEBEN. Was ist für dich Leben, Sitami? Zeit mit denen zu verbringen, die du zu deinen Freunden zählst? Sieh es ein. Du bist ein Nichts! Du bist allein! Und du hast keine Chance auch nur irgendwo glücklich zu werden. Deine Reise ist hier zu Ende." "Nein, ich bin nicht so weit gekommen um aufzugeben." "Soo, ein Mädchen mit Mut. Nun gut, ich lasse dich zurückgehen in deine Zeit. Dort wirst du auch sterben. Wenn die Zeit da ist, werdet ihr alle sterben. Jämerlich und allein." "Nein, ich kehre nicht um". "Ich gebe dir noch einmal Zeit darüber nachzudenken. Hier hast du noch weniger als in deiner Zeit. Hier ist nichts mehr. Nur die Angst. Die Stimmen, die du hörst, sind schon lange tot. Kehre um"
Einige Augenblicke verstrichen, bis Sitami begriff. "Nein, Angst", sprach sie mit verächtlicher Stimme. "Ich wurde hier her gerufen. Und die Stimmen der Hoffnung brauchen Hilfe. Sie sind noch nicht tot. Du konntest sie nicht vernichten. Du bist schwach, du bist nur eine Angst. Aber ICH fürchte dich nicht"
"SCHWEIG! Du wirst lernen mich zu fürchten. Deine Antwort verlangt den Tod." Die Angst zog ein schwarzes Schwert heraus. "Sitami, lauf lass uns hier. Rette dein Leben" riefen die Stimmen. "NEIN! Ihr habt mich gerufen. Jetzt werdet ihr mich nicht wieder wegschicken." "Sitami, du dummes kleines Mädchen. STIRB!" Und die Angst schwang das Schwert. Sitami sprang zur Seite, aber das Schwert streifte sie. Blut tropfte von ihrem Arm auf den Boden. Sie schwankte und fiel hin. "Willst du immer noch die Hoffnung befreien? Sie wird dir auch nicht mehr helfen können. Sie wird dich töten. Die Hoffnung wird dein Ende sein. Ein schönes Ende. Zerstört durch den Glauben an die Hoffnung. Hah. Was für ein Ende, die Hoffnung und das Mädchen, beide tot. Alle werden mich fürchten."
Voller Verachtung schaute Sitami der Angst in das Gesicht. "Du kannst mich quälen, hinrichten und du kannst mich auch töten, aber eines kannst du nicht, du kannst mir nicht die Hoffnung nehmen. Ich werde auch noch hoffen, wenn ich tot bin. Aber du, wen du willst ängstigen, wenn DU tot bist. Du bist vielleicht mächtiger als ich, aber die Hoffnung ist dein Herr, du kannst nichts gegen sie ausrichten. DU KANNST SIE NICHT TÖTEN!"
Mit dem Verklingen dieser Worte rollte eine Träne über Sitamis Gesicht. Blieb aber in der Luft stehen und begann zu leuchten. Leuchtete so hell wie das Schloss.
"WAS hast du getan??? Du dummer Mensch!!!" Die Träne schwebte zu der Truhe legte sich auf das Schloss. Sei verglühte und leuchtete dabei so hell wie die Sonne. Die Truhe öffnete sich. Helle Tropfen schwirrten zu Tausenden heraus, so hell wie die Träne Sitamis. "Danke, Sitami, du hat uns befreit... Jetzt können die verloren Seelen dieser Zeit wieder hoffen... Danke... Vielleicht werden sie dank dir begreifen wie wichtig wir sind... Nimm dieses Amulett. Es ist deine Träne der Hoffnung, sie ist hängt an den Fäden deiner Fantasie... Nimm sie, sie wird dir Glück bringen..." Da schwirrten die Lichter weg. Was für ein Amulett? Was für eine Träne? Sitami sah nirgends eine Träne. "MENSCH! Hast du mich vergessen? Du hast zwar die Hoffnung befreit, aber du wirst trotzdem sterben." Und die Angst holte zu einem letzen vernichtenden Schlag aus...
Tokio im Jahr 2003, 5.50 Uhr. Ein 15jähriges Mädchen schrak aus dem Schlaf auf. Verwirrt schaltete sie das Licht an. War sie weg gewesen? Nein, das war nur ein Traum. Ein seltsamer Traum. Sie hatte geglaubt, dass es Wirklichkeit gewesen wäre. Hatte sie tatsächlich von der Angst und von Stimmen geträumt? Sie schaltete das Licht an und merkte dabei, dass ihr Arm schmerzte. Wahrscheinlich hatte sie darauf geschlafen. Sie stand auf und ging wie jeden Morgen zum Spiegel. Gleich würde sie ihre blonden vom Schlaf verformten Haare und ihre müden grünen Augen sehen. Doch sie erstarrte beim Blick auf ihr Spiegelbild. Ihr Blick war auf eine blutende Schnittwunde an ihrem linken Arm gefallen. Sie lief zu ihrem Bett zurück und erschrak. Dort waren keine Blutflecken zusehen. Sie hatte also noch nicht lange dort gelegen. Aber was schimmerte da auf ihrem Kissen? Sie trat näher und erblickte eine tropfenförmige weiße Perle an bunten leutenden Fäden. Sie nahm sie in ihre Hand und erkannte in der Perle eine Träne. Da hörte sie die Stimmen: "Danke, Sitami du hast uns gerettet. Die Hoffnung ist in die Welt zurück gekehrt, danke!"
Autorin / Autor: nachtelfe - Stand: 24. Dezember 2003