Herzklopfen und Schweißausbrüche
Ich schaute mir mit klopfenden Herzen die Aufgabe an. Es war eine Gleichung und in der Schule hätte ich sie mit Leichtigkeit gelöst.
Ein Auszug von Miriams Tagebuch - die nicht nur eine Liebesgeschichte bewältigen musste.
"Ich stand also vor seiner Tür und klingelte. Schon zum zweiten Mal und er hatte immer noch nicht die Haustür geöffnet. War ich denn verrückt geworden? Wie konnte ich - so mir nichts dir nichts -
Mein Hirn war auf einmal eine nutzlose Masse
zu seinem Haus spazieren und klingeln? Und noch dazu nur, weil ich mit ihm Mathe besprechen wollte! Doch zu spät! Plötzlich erklang der Summer und die knarzige Lautsprecherstimme sagte: "Ach du bist es. Komm rein!" Ich drückte die Tür auf und lief durch's Treppenhaus. Schön hatte er es nicht gerade. Die Tapete stammte sicher aus dem letzten Jahrhundert und von der Treppe brökelte ein bisschen Stein ab, wenn ich meinen Fuß drauf setzte. "Hi Miriam!", begrüßte er mich und meinte dann entschuldigend: "Wir ziehen bald um." Als er mein erschrecktes Gesicht sah, beeilte er sich zu sagen: "Nur ein paar Straßen weiter." Dann schwieg er. Auch mir fiel nichts Gescheites ein, womit man ein halbwegs normales Gespräch beginnen konnte. "Komm doch rein." Er machte eine einladende Geste. "Danke!", krächzte ich und betrat das Vorzimmer. "Hier entlang!" Er führte mich in sein Zimmer und ich stellte fest (sollte ich mich freuen oder Schweißausbrüche kriegen?!), dass wir ganz allein im Haus waren. Langsam packte er seinen Schulkram aus. Matheheft und Mathebuch. Ich setzte mich zaghaft auf sein blau-weißes Bett.
Mathe... oder
"Wollen wir anfangen?", fragte er grinsend. Ich merkte, wie meine Hände ganz feucht wurden. "Ja klar.", flüsterte ich und musste ordentlich schlucken, denn in meinem Hals hatte sich ein dicker Kloß festgesetzt. "Komm, du kannst dich hier hin setzen." Er rutschte vom Stuhl, so dass er nur noch auf ein paar Zentimetern des Stuhls saß. Langsam setzte ich mich neben ihn. Er roch gut. Nach Zitrone oder Apfelsine. Ich schnüffelte und sog seinen Geruch in mich hinein. "Hast du was?", fragte er mich plötzlich und ich bekam Herzrasen. "Warum?", knarrte ich. "Ich meine vielleicht Schnupfen oder so etwas." Langsam begriff ich und stellte schnellstens mein Schnüffeln ein. "Okay, dann fang mal an." Er breitete sein Matheheft aus und zeigte auf die Aufgabe, die er nicht verstand. Ich räusperte mich einmal. Räusperte mich zweimal und dreimal. "Brauchst was zu trinken?", erkundigte er sich und noch ehe ich etwas hätte antworten können, raste er in die Küche und ich hörte ihn die Sprudelflasche öffnen. Ich schaute mir mit klopfenden Herzen die Aufgabe an. Es war eine Gleichung und würde ich gerade in der Schule sitzen, hätte ich sie mit Leichtigkeit gelöst. Doch nun schienen alle Gedanken an Mathematik aus meinem Kopf gelöscht zu sein. Gerade als ich mir fast sicher war, dass man plusrechnen musste, kam er wieder. Ich trank das Wasser mit einem Schluck und rotem Kopf aus.
Backstreet Boys...
Doch der dicke Kloß ging davon auch nicht weg. "Also hier musst du addieren.", war das Einzige, was ich zu sagen wusste. "Aha.", meinte er lahm, dann grinste er. "Magst die Backstreet Boys?" Ich traute wohl meinen Ohren nicht! Ein Junge hörte Backstreet Boys! ER hörte Backstreet Boys! "Klar!", antwortete ich begeistert und er legte die neuste Scheibe auf. Ohne jede Scham fing er an mitzusingen und ich stimmte mit ein. Mathe war vergessen! Wir kicherten und quietschten, als er mir eine peinliche Geschichte von seinem Freund erzählte und als ich auf die Uhr schaute, musste ich traurig feststellen, dass es schon ziemlich spät war. "Ich muss gehen.", murmelte ich daher. "Hast du morgen Zeit?", fragte er dann und schaute mir tief in die Augen. Mann, hatte der blaue Augen! "Würde sich einrichten lassen.", antwortete ich. Dann brachte er mich zur Tür. Ich blieb stehen und malte unsichtbare Kringel mit dem Fuß auf den brökeligen Boden. "Du Miri,", sagte er plötzlich und fasste nach meiner Hand. "ich glaube ich habe mich in dich verknallt!" Mein Kopf wechselte sofort die Farbe und wurde knallrot. "Ich, ich mich, glaube ich auch", stammelte ich. Dann fand ich seine Lippen und ich glaubte, dass ich heute ganz besonders spät nach Hause kommen würde.
Autorin / Autor: Schnucki1 - Stand: 14. Mai 2001