Einführung der Ganztagsschule
Goodbye Lenin, oder doch nicht?
Zwar wird Lenin schon im Titel von Deutschlands erfolgreichstem Film 2003 „Goodbye Lenin“ verabschiedet, sein Motto bei der Oktoberrevolution „Einholen und Überholen“ ist jedoch nach wie vor aktuell. Besonders in der Bildungspolitik nach den niederschmetternden Ergebnissen der Pisastudie scheint das „Einholen“ der anderen Länder notwendig. Bei Veröffentlichung der Studie, im Dezember 2000 war die ganze Nation tief betroffen, da Deutschland unter 32 Ländern durchgehend in allen Prüfsparten nur auf Rang 21 bis 25 landete. In keiner anderen Industrienation ist die schulische Leistung so von der sozialen Herkunft abhängig, wie im ehemaligen Land der „Dichter und Denker“.
Bildung - Ländersache oder Bundessache?
Darüber, dass sich am Bildungssystem etwas ändern muss, herrscht bei Politikern aller Fraktionen Einigkeit. Im Juni 2002 erregte die Bundesregierung Aufsehen, weil sie in der Regierungserklärung das Thema Bildungspolitik anschnitt und anschließend eine Debatte darüber führte. Bildung wurde fortan als „nationale Aufgabe“ angesehen und nicht wie im Grundgesetz verankert, als Sache der Länder. Zusätzliche Mittel in Höhe von 4 Milliarden Euro wurden lockergemacht.
Man könnte es als Trotzreaktion deuten, dass daraufhin die Reformwut der Landesregierungen nicht gedämmt, sondern eher gestärkt wurde.
Das sowieso schon verwirrte System der unterschiedlichen Bildungssysteme in den Bundesländern wird durch neue Reformen noch undurchsichtiger. Süddeutsche Kinder erhalten um bis zu zehn Prozent mehr Unterricht als nord- oder westdeutsche. Während man in Sachsen und Thüringen schon seit DDR-Zeiten fürs Abitur nur 12 Jahre die Schulbank drücken muss, sind es in den meisten anderen Bundesländern noch 13 Jahre. In Rheinland-Pfalz führen zwölfeinhalb Jahre zum Abitur. Aus Finanzgründen entschlossen sich aber fast alle Länder dazu, dass 12 Jahre doch genug seien. Bis auch das letzte Bundesland sein 8-Jähriges Gymnasium eingeführt haben wird, werden die ersten schon wieder neue Ideen haben, vielleicht doch lieber wieder 13 Jahre bis zum Abitur, oder genügen nicht sogar 11?
Während Baden-Württembergs, Bayerns, Thüringens und Sachsens Schüler für die Mittlere Reife landeseinheitliche Prüfungen bestehen müssen, bekommt man in den übrigen Bundesländern diesen Abschluss teilweise ganz ohne Prüfung.
Anstatt durch Reformen das Schulsystem bundeseinheitlich anzupassen und dann das Niveau zu heben, wurstelt jedes Land selber vor sich hin, denkt sich Neues aus, probiert und ändert. Nur beim Thema Ganztagsschulen sind alle Länder bestrebt, diese flächendeckend einzuführen, zumal Fördermittel vom Bund locken.
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Autorin / Autor: gitana - Stand: 18. Mai 2004