Rudolph the red-nosed reindeer
Eine Weihnachts-Kurzgeschichte
„Brrr, es ist kalt in Deutschland!“ Schal enger ziehen und fest in die Pedale treten, dann wird es schon wärmer. Mama hatte mich heute morgen noch mit diesem Müttern so eigenen, skeptischen Blick bedacht, der eindeutig mit „Du bist verrückt!“ zu interpretieren war, als ich mir die dünne Herbstjacke anzog. „Aber ja doch“, hatte ich geantwortet, “was denn sonst? Bin schließlich Mutters Tochter“, ihr einen Kuss auf die Nase gedrückt, und weg war ich Richtung Schule. Singenderweise. „Rudolph the red-nosed reindeer dubi dubi dubi dum...“, denn heute war der erste Schnee in diesem Jahr gefallen. Zu und zu schön, wie Oma immer sagte!
Das Unglück nimmt seinen Lauf
Aber mit der guten Laune war es nach einem Schulvormittag – bereichert durch eine Doppelmathestunde und bei dem schmuddeligem Restschnee - nun auch nicht mehr weit her. Aber was noch viel schlimmer war: die Harmonie in der Familie am Weihnachtsabend war aufs höchste gefährdet, hatte ich doch meine Mission nicht erfüllt. Ich befand mich nunmehr geschlagen und vom Schicksal vernichtet auf dem Heimweg. Der Super-GAU war tatsächlich eingetreten. Das finale Urteil hatte die Verkäuferin des zehnten und letzten Spielzeugwarenladens gesprochen: „Die Superrosa-Plüschröckchen-und-Zauberstab-Diddlmaus ist leider nicht mehr vorrätig oder lieferbar.“ Bedauerndes, mitleidiges Lächeln für den armen, optimistischen und viel zu späten Idioten – mich. Es war das Geschenk!
Superrosa-Plüschröckchen-und-Zauberstab-Diddlmaus
Wie oft hatte Miri gesagt, daß sie hoffe, ihr Wunschzettel sei auch gut beim Weihnachtsmann angekommen und dass er auch sehe, was sie ganz groß an den Kopf ihres Briefes – der wie jedes Jahr eine phänomenale Länge aufwies - hatte schreiben lassen:
Superrosa-Plüschröckchen-und-Zauberstab-Diddlmaus! Miri war meine kleine dreijährige Schwester, die Jüngste in unserer Familie und sie nahm die ihr daraus erwachsenden Privilegien mit aller Würde wahr. Undenkbar, dem braunäugigem Blondschopf einen Wunsch abschlagen zu wollen. Sämtliche Versuche dahingehend waren samt und sonders fehlgeschlagen. Und bis jetzt war ihrem Glauben an den Weihnachtsmann und seine unanzweifelbare Unfehlbarkeit noch kein Kratzer zugefügt worden. Und ich, ich war die, die diese Festung einer elementaren Lebensgrundlage zum Einsturz bringen würde. Ich, seit etwa zwölf Jahren Ungläubige, im zarten Alter von sechs in der ersten Klasse dieser Illusion beraubt worden, war vom Familienoberhaupt Mama zur Mitverschwörerin gemacht und beauftragt worden, die Superrosa-Plüsch... – na das Wort eben - zu beschaffen. Jetzt war es nur noch eine Woche bis zum Fest und die Maus für die Maus war nicht da! Was mich erwartete war klar, also Kofferpacken zur Emigration, das war das Mindeste, was von mir verlangt werden würde.
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Autorin / Autor:
baobab - Stand: 21. Dezember 2001