Ich glaub, die mag mich nicht

Studie: Wenn wir Menschen kennenlernen, glauben wir oft nicht, dass sie uns sympathisch finden

Wenn wir neue Leute kennenlernen, fragen wir uns häufig, wie wir wohl angekommen sind: finden uns andere langweilig oder interessant, egoistisch oder hilfsbereit, attraktiv oder hässlich? Diese Fragen sind uns meist nicht bewusst. Nun haben Psycholog_innen der Cornell University und der Harvard University herausgefunden, dass die meisten von uns viel zu selbstkritisch an solche Begegnungen herangehen, denn in der Regel ist es so, dass uns unsere Gesprächspartner_innen mehr mögen und unsere Gesellschaft mehr genießen als wir denken. Es scheint wohl eine schwierige Aufgabe zu sein, genau einzuschätzen, wie sehr uns ein neuer Gesprächspartner mag - "auch wenn dies ein grundlegender Teil des gesellschaftlichen Lebens und etwas ist, mit dem wir viel Übung haben", erklären die Studienautor_innen Erica Boothby und Gus Cooney.

In einer Studie führten die Forscher_innen Menschen zusammen, die sich noch nie zuvor getroffen hatten und beauftragten sie, ein fünfminütiges Gespräch mit typischen Eisbrecher-Fragen zu führen: z.B. Woher kommst du? Was sind deine Hobbys? Am Ende des Gesprächs sollten die Testpersonen beantworten, wie sehr sie ihr Gegenüber mögen und wie sehr sie dachten, dass sie selbst von ihren Gesprächspartner_innen gemocht werden.

*Wahrnehmungsschwäche*
Im Durchschnitt zeigte sich, dass die Befragten ihre Partner_innen mehr mochten, als sie glaubten, selbst gemocht zu werden. Wodurch aber entsteht diese unlogische Diskrepanz? Anhand von Videoaufnahmen lasen die Forscher_innen ab, dass die Teilnehmer_innen die Verhaltenssignale (wie Interesse und Freude) ihres Gegenübers gar nicht richtig wahrgenommen hatten.

In einer weiteren Studie reflektierten die Teilnehmer die Gespräche, die sie gerade geführt hatten. Und auch da waren sie der Meinung, dass die markanten Momente, die die Meinung ihres Partners über sie prägten, negativer waren als die Momente, die ihre eigene Sicht über ihren Partner prägte. Offenbar scheinen wir zu sehr in unsere eigenen Sorgen darüber vertieft zu sein, was wir sagen oder gesagt haben, um positive Signale der Sympathie bei anderen sehen zu können, vermuten die Forscher_innen.

*Nicht nur in Kennenlernsituationen*
Dieses Phänomen scheint übrigens nicht nur in Kennenlernsituationen aufzutreten, sondern auch in längeren Gesprächen oder Gesprächen außerhalb von Testsituationen, wie zusätzliche Studien zeigten. Eine Untersuchung bei College-Zimmergenossen ergab, dass diese Fehleinschätzung sogar über mehrere Monate andauerte.

Das Phänomen sei interessant, weil es im Gegensatz dazu steht, dass wir uns allgemein positiver bewerten als andere, egal ob wir an unsere Fahrkünste, unsere Intelligenz oder unsere Fähigkeit denken, negative Ergebnisse wie Krankheit oder Scheidung zu erleben, so die Studienautor_innen. "Wenn es um soziale Interaktion und Konversation geht, sind die Menschen oft zögerlich, unsicher, welchen Eindruck sie bei anderen hinterlassen, und zu kritisch gegenüber ihrer eigenen Leistung", erklären Boothby und Cooney. "Angesichts des enormen Optimismus der Menschen in anderen Bereichen ist der Pessimismus der Menschen, wenn es um solche Gespräche geht, überraschend."

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Die Forscher gehen davon aus, dass dieser Unterschied auf den Kontext zurückzuführen sein könnte, in dem wir diese Selbstbewertungen vornehmen. Wenn eine andere Person beteiligt ist, wie z.B. ein Gesprächspartner, sind wir vielleicht vorsichtiger und selbstkritischer als in Situationen, in denen wir unsere eigenen Qualitäten mit nichts Realem vergleichen.

"Wir sind auf uns selbst bezogen pessimistisch und wollen nicht annehmen, dass der andere uns mag, bevor wir herausfinden, ob das wirklich wahr ist", sagte Clark. Diese Selbstkontrolle könne uns daran hindern, Beziehungen zu anderen aufzubauen, die uns wirklich mögen. "Wenn wir uns in neue Nachbarschaft begeben, neue Freundschaften schließen oder versuchen, neue Kollegen zu beeindrucken, müssen wir wissen, was andere Leute von uns halten", so Boothby und Cooney. "Alle systematischen Fehler, die wir machen, könnten einen großen Einfluss auf unser Privat- und Berufsleben haben."

Die Ergebnisse wurden bei Psychological Science veröffentlicht, einer Zeitschrift der Association for Psychological Science.

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