Nun da der langerwartete Nachfolger des Strategiespiel-Klassikers Anno 1602 endlich in einer leicht verbilligten Version zu haben ist, ist es Zeit für mich, mal ein paar Worte dazu zu verlieren.
Das erste, was einem beim „neuen“ Anno ins Auge sticht, ist vermutlich die liebevoll gestaltete detailreiche Grafik. Überall wuseln Tiere, im Meer tummeln sich die Fische, der Wind streicht durch die Segel und die Stadtbewohner gehen ihrer täglichen Arbeit nach. Auch die Musik ist sehr schön stimmungsvoll mittelalterlich und es dauert eine überdurchschnittliche Weile bis man sie nicht mehr hören kann.
*Beim Spielprinzip bleibt vieles beim Alten*
1602-Veteranen wird bei dem Spiel vieles bekannt vorkommen, aber auch Neulinge brauchen vermutlich nicht lange, um sich in die Inselwelt einzugewöhnen, da die Steuerung recht intuitiv und übersichtlich ist, und man außerdem mit drei Tutorial-Szenarien nervenschonend eingeführt wird. Auch beim Spielprinzip ist vieles beim Alten geblieben: Jedes Spiel beginnt damit, dass man sich mit einem mit etwas Nahrung und Baumaterial beladenen Schiff mitten auf dem Meer wiederfindet, sich eine Insel sucht und lossiedelt. Kurz gefasst geht es darum, seine Untertanen dazu zu bringen, über fünf Bevölkerungsstufen aufzusteigen, von Pionieren hin zu Adligen. Bei jeder Bevölkerungsstufe kommen neue Bedürfnisse dazu, die erfüllt werden müssen, damit die Bewohner zufrieden bleiben, dem Konsum frönen, und sich nicht etwa wieder herabstufen. Die benötigten Waren kann man entweder einkaufen (teuer, teuer...) oder selber herstellen, wofür man Farmen, Bergwerke oder weiterverarbeitende Betriebe braucht, für die man jährlich Unterhaltskosten zahlen muss. Geld kriegt man in die Kasse, wenn das Volk einkauft (Mehrwertsteuer?) oder durch Handel. Krieg muss man zwischendurch eventuell auch mal führen, wenn die Aufgabenstellung der Kampagne das verlangt oder der böse Nachbar einen nicht in Frieden lassen will.
*Hat viel an Realitätsnähe gewonnen*
Die zu erfüllenden Bedürfnisse der Bewohner und die damit zusammenhängenden Produktionsketten sind seit dem Vorgängerspiel um einiges komplexer geworden. Schon auf den früheren Bevölkerungsstufen verlangt das Wahlvolk jetzt zusätzlich nach Lederwaren und Salz, später kommen extravagantere Bedürfnisse wie beispielsweise Wein, Seidenstoffe oder Lampenöl hinzu. All das geht natürlich ins Geld, genauso wie die jetzt notwendigen Marktstände, die man nun braucht, um die Bevölkerung zu versorgen und eigene Einnahmen zu machen (eine Pro-Kopf-Steuer wie im Vorgängerspiel gibt es gar nicht mehr), und die Forschung, die man an Schulen und Universitäten betreiben muss, um alle Gebäude und Militäreinheiten erstellen zu können. Durch diese Neuerungen hat das Spiel sehr viel an Realitätsnähe gewonnen, allerdings ist auch der Schwierigkeitsgrad (selbst bei "einfachen" Missionen) um Einiges in die Höhe gegangen. Wie die meisten guten Spiele ist Anno einfach zu verstehen aber schwierig zu meistern. Zwischen dem Bankrott, weil man zu wenig Einwohner hat, die einkaufen gehen, und dem Bankrott, weil man zu viele Einwohner hat, die abstufen, weil man sie nicht versorgen kann, ist es ein schmaler Grat. Aber genau das macht Anno anspruchsvoll und verhindert, dass es nach zwei Missionen langweilig wird. Alles in allem ist Anno 1503 ein Spiel, dass in keiner Strategiespielsammlung fehlen sollte, und wem schon 1602 gefallen hat, der wird hier vermutlich auch nicht enttäuscht werden.
*Annehmlichkeiten machen das Ganze bequemer*
Etwas anders sieht es mit den Add-On Schätzen, Monster und Piraten aus. Für stolze 20 Euro bietet das Add-On 12 neue Szenarien und 3 Endlosspiele; ob man die aber unbedingt braucht, sollte jeder selber entscheiden, denn meiner Meinung nach ist schon das Basis-Spiel so üppig mit Missionen ausgestattet, dass es dem Durchschnittsspieler reichen sollte, um so lange zu siedeln, bis er endgültig kein Meer mehr sehen kann und sich einem anderen Strategiespiel zuwendet. Ansonsten gibt es im Westen nicht viel Neues. Ein paar kleine Annehmlichkeiten wie z.B. die Möglichkeit feindliche Schiffe zu entern und seine Farmen mit einem Klick zu bepflanzen, sind dazugekommen, außerdem eine Statistik-Ansicht, die einen taktisch nicht unbedingt weiter bringt, und eine Liste aller zum Verkauf stehender Schiffe, was ganz nett ist. Bei den Gütern und Gebäuden ist fast alles beim Alten geblieben; neben einigen neuen Zieranlagen und einem verbesserten Kanonenturm besteht der einzige nennenswerte Unterschied darin, dass man jetzt auch in seinen Innenstädten Kriminalität hat, gegen die man ein Amtsgericht bauen muss. Also noch ein weiteres Problem, wo man eigentlich schon genug haben sollte. Einige Bugs und Unausgewogenheiten sind ebenfalls bereinigt worden, aber den gleichen Effekt kriegt man auch, wenn man sich den Patch runterlädt. Uneingeschränkt also nur zu empfehlen für Leute, die nach den Missionen des Basis-Spiels immer noch nicht genug haben, ansonsten muss jeder selber entscheiden, ob ihm einige kleine Vorteile das Geld wert sind.