Nachgefragt: Philosophie
Gedankliche Appetithappen, die süchtig machen
Wenn dich jemand fragt: "Was liest du da?" und du sagst ihm, "Ein Buch über Philosophie", wird derjenige dich vielleicht mit großen Augen anschauen. So lautet der Anfang der vorgelesenen CD-Fassung des Buches „Nachgefragt: Philosophie“ von Christine Schulz-Reiss. Wohl möglich, aber wie wird man da erst angeschaut, wenn man sich dasselbe Buch in der Mittagspause auf dem Mp3-Player anhört? Jedenfalls freute ich mich wahnsinnig auf das zu testende Objekt – und war bereit, im Selbsttest „mit großen Augen angeschaut“ zu werden und mir die 88 kurzen Texte anzuhören, die mich, oder besser gesagt, jeden philosophie-interessierten über-12-Jährigen, in die lange Geschichte der „Liebe zur Weisheit“ und des ewigen Fragens einführen sollten. Die Herangehensweise dieser Texte an die Philosophie ist dabei relativ einfach: Zuerst geht es um den Begriff der Philosophie, dann hangeln sie sich schrittweise an 2700 Jahren Geschichte entlang und veranschaulichen die Lehren der größten Philosophen, deren Namen den meisten zumindest vage bekannt vorkommen müssten: Sokrates, Platon, Locke, Rousseau oder Darwin. Deren Einstellungen werden jeweils als neue Unterkapitel dargestellt, meist veranschaulicht mit Bildern aus dem Alltag eines etwa 12-jährigen Kindes. Am Ende des Crashkurses (denn was ist ein Buch anderes, das „Basiswissen zum Mitreden“ vermittelt?) gibt es noch mehrere Einheiten über die Rolle von Frauen in der Philosophie, ein Fazit (nämlich, dass das Selbst-Denken immer noch am Wichtigsten ist) und schließlich einen Ausblick über die Philosophie des 20. Jahrhunderts und insbesondere über neue Fragestellungen, die Techniken wie das Klonen aufwerfen.
Meine Meinung
Auch wenn die Inhalte nicht immer ganz einfach sind, ist doch alles gut verständlich – was ich gerade bei einer Hör-CD, bei der man eben nicht „noch mal nachlesen“ kann, für recht bemerkenswert erachte. Am Anfang jeder Einheit wird der Titel nebst kurzer Erklärung vorgetragen, danach kommt der eigentliche Text, wobei der „Vorleser“ genau so klingt, als ob er einem neugierigen Kind etwas erklären würde, und dafür alle Zeit der Welt hätte. Ich finde es zwar schade, dass ich nicht einfach nachschlagen kann, wenn mich mal etwas besonders interessiert, das CD-Booklet bietet aber immerhin ein Glossar der wichtigsten Begriffe sowie eine - alphabetisch geordnete – Liste wichtiger Philosophen. Meine eigentlichen Selbst-Test-Erfahrungen waren denn auch weitestgehend positiver Natur: Obwohl ich wahrscheinlich nicht mehr ganz in die von der Autorin angesprochene Zielgruppe gehöre und viele der behandelten Themen schon (auf eher theoretische Art und Weise) in der Schule behandelt hatte, hörte ich in jeder sich bietenden kurzen „Pause“ (in der Straßenbahn, an der Supermarktkasse, im Physikunterricht…) Titel wie „Pippi Langstrumpf und der Spunk“, „Keks oder Krümel“, oder gar „Haust du mich, dann hau ich dich!“ – zunächst mit mäßiger Begeisterung (denn die Einleitung, die mir gleich verkündete, dass so mancher mir sagen würde, dass ich nun „völlig abgedreht“ sei, weil ich dieses „Buch“ lese, klang nun mal nicht gerade ermutigend), doch mit der Zeit wurde ich regelrecht süchtig nach den kurzen gedanklichen Appetithappen, die auf so wunderbar simple Weise (eben sehr kindgerecht) philosophische Probleme anschnitten und mir jedes Mal ein Stichwort, irgendeine Anregung lieferten, mit dem ich an dem entsprechenden Tag allen meinen Freunden, meinen Lehrern und meiner Familie auf die Nerven fallen konnte. Nach geraumer Zeit fingen dann auch die Fragen an, ob ich denn nicht endlich bald mit „diesem Zeugs“ fertig wäre. Tja, leider ist es nun tatsächlich so weit, und so bleibt mir wohl nichts, als mich zu bedanken für kindgerecht portionierte Philosophie, und vielleicht schaffe ich es, jetzt wo ich „nur noch“ selber denke, ja auch, wieder alle davon zu überzeugen, dass ich eigentlich doch ganz normal bin.
Autorin / Autor: idiamana - Stand: 20. Juni 2006