Radio Gaga

Autorin: Katrin Bongard
Gelesen von Andreas Pietschmann
Das Lebensgefühl einer ganzen Jugendszene: Spannend cool, realitätsnah

Rocco geht es richtig scheiße. Er vermisst seine Freunde in München. Seine Freundin verlässt ihn per Brief für seinen besten Freund. Selbst das Grün des Gartens irritiert ihn. Berlin soll grau sein, nicht grün! Die Typen in seiner neuen Schule zwingen ihn, sich an den Rand der Alkoholvergiftung zu betrinken. Er hat einen Absturz und kann tagelang nichts Festes mehr zu sich nehmen. Da schenkt ihm sein drogenabhängiger Bruder Jove mal was anderes als Zigaretten: ein Radio. Wortlos, ohne Erklärung. Rocco schaltet ein – und hört. Radio Gaga ist auf Sendung; eine raue Stimme labert frei vor sich hin. Der 16jährige ist sofort fasziniert. Meist ist auf der Frequenz nur ein Rauschen zu hören, aber manchmal geht Radio Gaga on air. Da hört er Mika mit ihrer frischen Stimme, sie ist 15, höchstens 16. Und sie spielt seine Lieblingssongs! Als ihre Kappe schließlich versteigert wird, bietet er: eine Millionen Euro. Zum Glück nimmt das keiner ernst – abholen muss er sie aber trotzdem. Wo? In einem verlassenen Wachturm am Todesstreifen, von dem aus der Piratensender illegal on air geht. Wer sendet? Bert, John, Mika, Anna – und Ramona. Das riecht nach Abenteuer, nach Abwechslung, und als Rocco die schöne Blondine sieht, ist es schließlich ganz um ihn geschehen. Er tut alles, um bei Radio Gaga seine eigene Sendung zu bekommen und die wird immer beliebter. Er schließt Freundschaften und der neu gewonnene Ruhm bringt ihm Respekt, doch Ramona, die einige Jahre älter ist, hat nur Augen für seinen Bruder. Außerdem bedroht eine Räumungsklage den Wachturm und sein neuer Freund Jens will nicht mehr leben – er hat Leukämie.
Im Urlaub zurück in München will er zu allem Überfluss wieder was von Klara, seiner Ex. Sie „versuchen“ ihr erstes Mal. Doch alles geht wahnsinnig schief! Als er nach Hause kommt hat Jove einen Drogenabsturz. Die Familie fährt sofort zurück nach Berlin. Dort entwickelt Rocco Gefühle für Mika, die viel tiefer gehen als alles, was er bisher erlebt hat. Dann geschehen zwei schreckliche Dinge auf einmal. Faschisten schlagen John brutal zusammen. Jove hat einen grausamen Anfall – Psychosen - weil er auf Entzug ist. Rocco fühlt sich hilflos und schuldig, nur Ramona kann den beiden noch helfen. Sie kommt mit Jove zusammen. John wird langsam wieder gesund; Mika und Bert komponieren eine neue Hymne für Radio Gaga. Doch plötzlich ist alles aus: Räumungskommando. Radio Gaga soll verboten werden. Das Team beschließt sich gemeinsam mit seinen Fans dagegen zu wehren: sie besetzen den Turm. „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ – sie kämpfen um ihre Sendung, ihre Einstellung, ihre Art zu leben.

*Spannend, cool, realitätsnah!*
Ich gebe zu, der erste Grund weshalb ich Radio Gaga rezensieren wollte, war das Cover. Klingt dumm, ist aber so. Retro. Stylish. Cool. Das Buch von Katrin Bongard kannte und kenne ich nicht. Radio Gaga war mein allererstes Hörbuch. Fesselnd von den ersten paar Minuten an. Geschlagene vier Stunden lang, aber das war mir egal. Ich hörte alles an einem Tag! Ich hatte mehrere Sprecher erwartet, Hintergrundgeräusche, allen voran natürlich Musik! Nichts dergleichen. Das Buch gelesen von Andreas Pietschmann; ruhig, nüchtern. Und ich klebte am CD-Player. Es fällt auf wie verdammt realistisch die Geschichte ist. Rocco verliebt sich nicht immer Hals über Kopf. Vielmehr differenziert er zwischen gescheiterter Beziehung und Lust (Klara), Schwärmerei (Ramona) und tiefen Gefühlen, die er nicht zulassen will (Mika). Er wird auch nicht gleich einfach so angenommen, sondern muss sich die Akzeptanz der Gruppe erst langsam erarbeiten. Viele der gegen Ende angesprochenen Probleme kenn ich persönlich aus der Kiffer- und Punkszene. Wer das nicht selbst erlebt, wird nie glauben, dass zum Beispiel die sinnlose Gewalt seitens der Faschisten vollkommen wirklichkeitsnah ist. („Wer ist das?“ „Faschos. Die wollten rein, haben’s nicht geschafft und dann die Scheiben eingeworfen. (…) John hat sich mal mit denen angelegt.“) Außerdem behandelt das Hörbuch Joves Drogensucht nicht auf die typische, aufklärend besserwisserische Weise, sondern aus Roccos Sicht – aus der Sicht von uns Jugendlichen und nicht dem Gesundheitsamt! („Er sagte immer er nimmt alles.“ - „Warum hatte Jove solche Abstürze und ich nahm, abgesehen vom gelegentlichen Kiffen, nichts.“) Die Geschichte spiegelt, vor allem gegen Ende, als sie verzweifelt den Turm besetzen, das Lebensgefühl einer ganzen Jugendszene wider. Sicher spricht Radio Gaga eher 15 als 20jährige an, aber es ist eben doch spannend und cool. Einige Male musste ich lachen, zahlreiche andere Stellen brachten mich zum Nachdenken, weil ich es auf meine eigenen Erfahrungen beziehen konnte. Ihr solltet auf jeden Fall reinhören – aufhören könnt ihr dann sowieso nicht mehr! ;) Aaaaand Radio Gaga is on air!

Autorin / Autor: maryliz - Stand: 22. Juni 2006