Flexibler Schulbeginn macht munter
Forschung: Allein die Möglichkeit, eine Stunde später zu kommen, hat positive Auswirkungen
Spät ins Bett, früh raus. Dieses Prinzip geht nicht lange gut, beeinträchtigt die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit und hat nicht zuletzt gesundheitliche Auswirkungen. Besonders betroffen sind hiervon Schüler_innen. Es ist bekannt, dass Menschen im Jugendalter eher Richtung Nachteule tendieren und darum von Natur aus abends schwerer ins Bett und morgens schwerer rauskommen. Gerade von Schüler_innen wird aber ein früher Start in den Tag gefordert, an dem sie auch direkt leistungsfähig sein sollen. Forscher_innen fordern wegen des chronischen Schlafmangels bei Jugendlichen schon lange einen späteren Schulbeginn - oder aber wie im Fall einer Studie an der LMU München, einen flexiblen Einstieg in den Schultag.
Die Münchner Chronobiologen um Eva Winnebeck und Till Roenneberg haben die Diskussion um einen späteren Schulbeginn nun in einem besonderen Feldversuch studiert: am Gymnasium Alsdorf in der Nähe von Aachen, das nicht nur den Schulbeginn nach hinten verlegte, sondern sogar ein flexibles Modell einführte.
Schüler_innen der Oberstufe durften hier Tag für Tag selbst entscheiden, ob sie schon zur ersten Stunde kommen oder erst zur zweiten. Die Schule arbeitet nach dem Dalton-Plan, der beinhaltet, dass ein Teil des Stoffes in längeren Projektphasen von den Schüler_innen selbständig erarbeitet wird. Im Stundenplan sind dafür zehn Stunden pro Woche vorgesehen, die Hälfte davon liegt jetzt auf der Acht-Uhr-Schiene. Kommen die Schüler_innen später, müssen sie den Stoff in den Freistunden oder nach dem regulären Unterrichtsschluss nachholen.
Die LMU-Forscher arbeiteten mit drei Jahrgängen der Oberstufe. Die Schüler_innen führten drei Wochen vor und sechs Wochen nach Einführung des flexiblen Modell Schlafprotokolle, gut die Hälfte von ihnen wurde zudem mit Aktivitäts-Trackern ausgestattet. Außerdem gaben die Jugendlichen zum Ende Auskunft über ihr Schlafverhalten, ihr Wohlbefinden und ihre Konzentrationsfähigkeit im Unterricht und beim Lernen.
Die Wissenschaftler_innen zeigten sich erstaunt, dass das flexible Modell weit weniger ausgenutzt wurde als gedacht. Im Schnitt ließen die Schüler_innen nur zweimal pro Woche die erste Stunde ausfallen. Allerdings galt das unabhängig von Geschlecht, Jahrgangsstufe, Chronotyp und Häufigkeit des späteren Schulbeginns. An der Länge der Schlafzeiten änderte sich nur wenig, allerdings gaben die Schüler_innen durchweg an, besser zu schlafen und auch in der Schule konzentrierter zu sein. „Vielleicht reicht schon die Möglichkeit, frei entscheiden zu können und nicht dem Diktat des Weckers ausgeliefert zu sein, um viele Knoten zu lösen“, sagt Winnebeck. „Flexible Systeme stellen eine tragfähige Alternative dar, wenn man den Schlaf von Jugendlichen verbessern will“, schreiben die Autoren in ihrer Arbeit im Fachmagazin Sleep. Wichtig aber sei es, die Schüler_innen dazu zu ermuntern, die Spätoption bei Bedarf auch wirklich zu nutzen.
Quelle:
Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung LMU - Stand: 3. Januar 2020