Besser wissen
Beitrag zum Kreativ- und Schreibwettbewerb "Das ist mir was wert" von Lea Marleen, 22 Jahre
Was bist du wert, wenn
deine Hand auf meiner Haut
meinen Wert mindert -
als wäre in deinem Fingerabdruck nicht nur
deine Identität, sondern auch
deine schamlose Intention versteckt
mich zu schämen.
Als hätte der Moment, in dem wir uns berührten
nur dir gehört und mir geschadet -
also weißt du doch Bescheid.
Was bin ich wert, wenn
ich deine Finger unter einer Lupe betrachte
und jeder Wirbel warnt
vor fehlender Furcht mir zu schaden -
doch meine jugendliche Naivität läuft zur Tür
und heißt dich willkommen.
Ich bin der Teufel auf den Schultern meiner Freundinnen
der mit feuerroten Warnschildern vor ihren rosaroten Brillen winkt -
wenn ich die Brille trage werd ich farbenblind.
Eigentlich weiß ich doch Bescheid.
Was ist sie wert, wenn
sie ihr Leben lang mit vertrauensvollem Blau zu dir aufschaut
und nun die blauen Augen mit Vertrauen
in die Augen einer anderen schauen -
Frauen die Frauen lieben, wo führt das hin?
Das ist doch nur Experimentieren
solang du deine Füße unter meinem Tisch stellst!
Sei so gut und toleriere meine trägen Traditionen
der Intoleranz, die Blut zu Wasser macht.
Die bunte Flagge der Solidarität wird in deinem Vorgarten niemals wehen,
in den ordentlichen Beeten der Vorstadt weht der Wind
der sich vor Unbekanntem fürchtet.
Und fragst dich wie deine Tochter dir zur Fremden werden konnte.
Du solltest es besser wissen.
Was ist er wert, wenn
er kämpfen muss, um Mann zu sein
weil wir ihm keinen Glauben schenken
aber er ist doch als Mädchen geboren!
Wir schenken Spott und böse Namen –
und will er sich selbst benennen
sagen wir du musst dich erst beweisen!
Und spotten werden wir trotzdem.
Als könnten wir bestimmen wer er ist und wer nicht
als wäre es seine Aufgabe uns zu überzeugen
dass Ignoranz nicht die Lösung ist.
Wir sollten es besser wissen.
Was sind wir wert, wenn
wir uns von Weltreisenden in Plastikkleidern ernähren
deren Heimat wir nicht kennen
da die Ikea Weltkarten im Wohnzimmer nur als Deko zählen.
Wenn wir im Urlaub das Hotel nicht verlassen
außer um uns mit den Mädels
in schwarzer Tinte wanderlust unter die Haut stechen zu lassen.
Wir verehren unsere Körper und ziehen doch im Tempel nie die Schuhe aus
verwünschen unser Spiegelbild und hüllen uns in Lügen.
Wir fürchten uns vor internationaler Anarchie
während vor unserer Haustür sich der Hass
mit Fackeln und Mistgabeln unser Hören erschleicht.
Wo ist unsere Empathie?
Als hätten wir vergessen, dass unsere Geschichte mit dem Blut
sechs Millionen Unschuldiger geschrieben wurde –
wir müssen es besser wissen.
Ist dem sein Selbst mehr wert der Andere achtet oder nur sein Selbst?
Ich stecke mir eine Zigarette an und warte auf morgen.
Der Pessimismus deckt mich zu und wartet
ob er mit Sonnenaufgang neben dem Mond
auch meine Seite missen muss.
Er sollte es besser wissen.
Und nun sitze ich hier und missachte die Regeln des Gedichts
wie ich die Werte missachte, über die ich schreibe.
Auch ich sollte es besser wissen.