"Das Virus macht nicht alle gleich"
Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlicht Bericht über Anfeindungen und Benachteiligungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise
Unter den Einschränkungen in Zusammenhang mit dem Corona-Virus leiden alle, und viele sind inzwischen mit den Nerven fertig. Zum Glück gab und gibt es eine große Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität, die uns durch die Krise hindurch hilft - leider gibt es aber auch zunehmend Pöbeleien, offene Beleidigungen und teilweise sogar körperliche Übergriffe. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat seit Beginn der Pandemie mehr als 100 Anfragen zu Diskriminierungen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus erhalten. Dabei ging es in mehr als der Hälfte der Fälle um Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft, in weiteren Fällen um Diskriminierungen wegen einer Behinderung, wegen des Alters oder auch der Geschlechtsidentität.
Besonders Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird, berichteten von Anfang an, dass sie mit Bezug auf das Virus diskriminiert, rassistisch beleidigt und manchmal auch ernsthaft bedroht werden. So wurde vielfach berichtet, dass ihnen in der Öffentlichkeit „Corona“ hinterhergerufen wird. Auch wurden Menschen in Geschäften gar nicht erst bedient. Teilweise wurde zu ihnen ein viel größerer Abstand als zu anderen Kund_innen gehalten oder das Personal benutzte nur bei diesen Menschen Schutzmasken. Ein junger Mann aus Malaysia beklagte, dass er von seinem Nachbarn einen Zettel erhalten hatte, auf dem stand, er solle nach China zurückgehen, er habe Deutschland an den Galgen gehängt.
*"Alte und Schwache"*
Auch ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankung beschwerten sich bei der Antidiskriminierungsstelle, weil sie in der öffentlichen Berichterstattung und in politischen Äußerungen häufig unter der Bezeichnung „Alte und Schwache“ zusammengefasst würden. Eine solche Kategorisierung könne dazu führen, dass diese Menschen als „ausgesondert“ und wertlos wahrgenommen und zudem nicht mehr als Individuen gesehen werden. Sie wünschten sich eher neutrale Bezeichnungen wie zum Beispiel „Menschen mit erhöhtem Risiko“.
Andere wendeten sich an die Beratungsstelle, weil beispielsweise die Maskenpflicht zum Teil ohne Rücksicht auf benachteiligte Gruppen wie etwa Menschen mit Behinderung ergriffen wurden. Menschen mit Gehhilfe wiederum scheiterten an Auflagen in Supermärkten, wenn dort ein Einkaufswagen vorgeschrieben sei.
„Die Corona-Krise legt bereits vorhandene Probleme im Bereich der Diskriminierung bloß und kann sie verstärken“, sagte Franke. „Die Bedrohung durch das Virus macht nicht alle gleich – manche Gruppen haben nun noch mehr mit Ausgrenzung, Hass und Benachteiligung zu kämpfen. Dagegen müssen wir entschlossen vorgehen. Wir raten allen Betroffenen, sich Unterstützung zu suchen und solche Erfahrungen nicht hinzunehmen. Diskriminierung ist nie gerechtfertigt, auch nicht in Krisensituationen“, sagte Franke.
Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, stellte am 8. Mai fest, dass "die Pandemie einen Tsunami aus Hass und Fremdenfeindlichkeit, Sündenbock-Suche und Panikmache" entfessele. Die "Anti-Ausländer-Stimmung" sei online und auf den Straßen gestiegen. Antisemitische Verschwörungstheorien hätten sich verbreitet, und es habe antimuslimische Angriffe im Zusammenhang mit COVID-19 gegeben. Migrant_innen und Flüchtlinge seien als Quelle des Virus verunglimpft - und dann ihnen der Zugang zu medizinischer Behandlung verweigert worden. Auch die Verachtung gegenüber älteren Menschen prangerte er an: es seien verächtliche Bilder entstanden, die sie als "entbehrlich" darstellten. Ins Visier seien außerdem Journalist_innen, Gesundheitsfachleute, Mitarbeiter_innen von Hilfsorganisationen und Menschenrechtsanwält_innen geraten, nur weil sie ihre Arbeit täten.
Er forderte die Weltgemeinschaft dazu auf, überall und jederzeit gegen Hass aufzutreten, einander mit Würde zu behandeln und jede Gelegenheit zu nutzen, um Freundlichkeit zu verbreiten.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemiteilung - Stand: 11. Mai 2020