Ich faste, also bin ich

Immer mehr Menschen entdecken die neue Lust am Verzicht. Warum sie das tun, erforschte nun eine Befragung der FernUniversität Hagen

Ob Süßigkeiten-Reduzierung, Handy-Fasten oder die Entsagung aus religiösen Motiven - offenbar entdecken immer mehr Menschen die Lust am Verzicht. Obwohl Fasten momentan im Trend liegt, wurde es bisher kaum erforscht. Dr. Patrick Heiser, Religionssoziologe an der FernUniversität in Hagen, hat vor Ostern die bislang größte Fasten-Studie im deutschsprachigen Raum gestartet, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. „Gefastet wird unabhängig vom Alter in allen Schichten und Milieus“, bilanziert er. „Dabei wird die traditionelle religiöse Praktik des Fastens individuell ausgestaltet.“ Fast 2000 Personen nahmen an der offenen Befragung teil und wollten ihre Fasten-Erfahrung teilen.

*Die Mehrheit fastet regelmäßig*
72,4 Prozent der Befragten haben schonmal gefastet, 58,7 Prozent haben das bereits mehrfach in ihrem Leben getan, 13,7 Prozent immerhin einmal. 16,7 Prozent der Befragten haben zwar noch nie gefastet, aber sie hätten Interesse: 13,7 Prozent können es sich „durchaus vorstellen” und 4 Prozent wollen es „unbedingt einmal ausprobieren”. Nur ein Zehntel der Teilnehmer_innen haben weder Erfahrung noch Interesse am Fasten.

*Frauen fasten häufiger als Männer*
Was die Fastenden eint: „Die Menschen verzichten, um sich körperlich und seelisch besser zu fühlen“, fasst Patrick Heiser zusammen. „Frauen tun dies übrigens deutlich häufiger als Männer.“ Hauptsächlich verzichtet wird dabei auf Genussmittel wie Süßes und Alkohol, mit einigem Abstand aber auch auf Rauchen, Drogen und Kaffee. Insgesamt geben 86,1 Prozent der Befragten an, auf mindestens eines dieser Genussmittel verzichtet zu haben bzw. verzichten zu wollen. Dabei fällt es den Menschen offenbar leichter, für eine bestimmte Zeit ohne Alkohol zu leben als ohne Süßigkeiten.

*Fasten als Konsum- und Gesellschaftskritik*
Viele Fastende nutzen die freiwillige Entsagung aber heute auch dazu, sich gesellschafskritisch zu äußern. Dazu gehört der Verzicht auf Auto fahren, auf tierische Produkte und Medienkonsum wie Computer- und Internetznutzung oder Fernsehen. „Das Fasten wird damit zur Konsumkritik und entsprechend mit Bedeutung versehen.“

*Die Rolle der Religion*
Neben dem Alter spielen die Religiosität und die Konfessionszugehörigkeit eine wichtige Rolle. Denn mit dem Fasten ist eine jahrhundertealte Tradition verbunden. Es ist Bestandteil aller Weltreligionen, auch wenn es heute für viele Gläubige keine religiöse Pflicht mehr ist. Der Tradition aber bleiben sie verbunden. Zwei Drittel aller Befragten fasten daher nicht irgendwann, sondern in Fastenzeiten, etwa vor Ostern, im Advent oder im Ramadan. „Ein traditioneller Rahmen macht es leichter“, erklärt Heiser. Ein Viertel der Befragten fühlt sich beim Fasten Gott näher, betet häufiger oder besucht öfters den Gottesdienst. Mit Blick auf die Konfession stechen die Muslim_innen heraus. „Sie verfügen am ehesten über Fastenerfahrung, gefolgt von den Katholiken und den Protestanten“, sagt Heiser.

*Fasten und Pilgern*
In einem zweiten Schritt wollen die Forscher_innen ausführliche Interviews über das Fasten machen und auch weitere traditionelle religiöse Praktiken wie das Pilgern in den Blick nehmen, denn Menschen würden solche religiösen Praktiken heute individuell gestalten, fasst Heiser zusammen. „Pilgern und Fasten bewegen sich also zwischen individueller Gestaltung und religiöser Tradition. Beide Pole sind wichtig, um ihre Popularität zu erklären.“

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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung