Ich stehe vor den Trümmern meines Wohnhauses. Die Ziegeln sind abgefallen, die Fensterscheiben zersprungen. Innen ist alles feucht und überschwemmt. Ein starker Hurrikan ist gestern über meine Heimat gefegt. Autos, Dächer, Menschen, vieles hat er mitgerissen. Ich sehe mich um. Kaum eine weitere Person ist auf der Straße zu sehen. Gestern hat es noch geschüttet wie aus Eimern. Die Straßen waren überflutet. Heute steigen die Temperaturen schon wieder über 40°C. Es ist Frühling. Vor einigen Jahren sah man in jedem Garten Krokusse, Narzissen oder Tulpen. Heutzutage ist alles verdorrt. Gras sieht man selten. Der Boden ist trocken und rissig. Ich hatte gestern Glück, dass ich außer Haus war. Meine beste Freundin hatte Geburtstag. Ich hatte etwas Alkohol getrunken, deshalb bin ich nicht nach Hause gefahren. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich daheim gewesen wäre. Wahrscheinlich würde ich gar nicht mehr hier stehen. Ich betrachte die Kirche meines Dorfes. Auch bei ihr fehlen einige der roten Ziegeln. Hinter der Kirche erstrecken sich die Felder der Bauern. Endlose Wüste nur unterbrochen von den traurigen Feldern. Es gibt keine Wälder mehr oder Seen. Die Bauern säen ihren Weizen aus, in der Hoffnung diesen im Sommer zu ernten. Doch ich bin mir sicher, dass auch diese Ernte ausfallen wird. Seit Jahren wächst das Getreide nicht mehr. Die Nahrungsmittel werden knapp. Viele Tiere mussten geschlachtet werden, weil sie nicht mehr ernährt werden können. Aus anderen Ländern wird noch Essen importiert, aber auch diese leiden immer mehr unter dem Klima. Wer weiß, wann sie diese Importe einstellen. Und wie lange wird das Essen dann noch reichen? Auch das Trinkwasser neigt sich dem Ende zu. Die Flüsse sind verschmutzt. Das Wasser muss mit vielen Chemikalien versetzt werden, damit es trinkbar ist. Viele Menschen sind schon gestorben, da das verschmutzte Wasser Krankheiten ausgelöst hat und sie sich das teure Trinkwasser nicht leisten können. Plötzlich höre ich eine Fahrradklingel hinter mir und springe erschrocken zur Seite. Ein junges Mädchen, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, fährt an mir vorbei. Ich schaue ihr hinterher. Der größte Teil der Einwohner hat ihr Alter. Das Durchschnittsalter der Einwohner sinkt. Die Lebenserwartung hat sich halbiert. Wenn man seinen 50. Geburtstag feiert, gilt man schon als uralt. Die Kinder kennen die Erde nicht anders, doch ich bin in einer anderen Welt aufgewachsen. Manchmal frage ich mich, ob ich meine Kindheit nur geträumt habe, denn es scheint so irreal zu sein. Das Mädchen ist mittlerweile hinter dem Berg, der unser Dorf umgibt, verschwunden. Ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt. Noch ein paar Lebensmittel kaufen. Vielleicht übernachte ich einige Tage bei einer Freundin oder ich suche mir ein Miethaus. Diese sind so gebaut, dass ein Hurrikan ihnen nichts anhaben kann. Dafür haben sie auch ihren Preis. In meiner durchnässten Wohnung kann ich erstmal nicht schlafen. Im Supermarkt angekommen, stelle ich fest, dass viele Regale leer sind. Ich greife zu dem letzten Paket Nudeln. Dazu schnappe ich mir noch eine Flasche Wasser. 5,00€ bezahle ich für beides. Mit einem Blick in meinen Geldbeutel, bemerke ich, dass es langsam knapp wird. Vor einem Monat habe ich meinen Job verloren. Kein Wunder, wer kauft noch Autos. Die meisten können es sich nicht mehr leisten, andere sehen keinen Sinn darin, ein Auto zu kaufen, nur damit es dann mit der nächsten Überflutung weggetragen wird. Viele haben ihren Job verloren: Immobilienmakler, Büroarbeiter, … Die Welt wird zerstört werden. Die Wissenschaftler suchen nach Lösungen. Vielleicht könnten wir auf einem anderen Planeten leben. Aber bis es so weit ist, müssen wir versuchen zu überleben. Als ich den Supermarkt verlasse, zupft plötzlich jemand an meinem blauen Rock. Ein kleiner Junge, viel zu dünn und verschmutzt, bettelt mich nach Wasser an. Ich schraube meine Flasche auf und trinke einen Schluck. Den Rest gebe ich ihm. Wir helfen uns untereinander so gut, wie es geht. Wie konnte es nur soweit kommen?
Schweißgebadet wache ich auf. Ich sitze senkrecht in meinem Bett und schaue mich in meinem Zimmer um. Die blau-weißen Wände, die graue Bettwäsche. Alles nichts Ungewöhnliches. War alles nur ein blöder Traum? Langsam steige ich aus dem Bett und gehe zum Fenster. Von hier aus habe ich einen perfekten Blick auf die Kirche des Ortes. Sie sieht aus wie immer. Die Ziegeln glänzen im Sonnenlicht. Einige wenige Menschen warten auf den Beginn des Gottesdienstes. Aufgrund der Corona-Beschränkungen wird dieser bei schönem Wetter im Freien durchgeführt. So muss man wenigstens die lästige Mund-Nasen-Bedeckung nicht aufsetzen. Auf der Straße sind wenig Autos unterwegs. Kein Wunder. Kinos und Schwimmbäder haben nach Ausbruch der Krise zugemacht. Ich blicke in den Himmel. Einige Wolken sind sichtbar, aber es sieht nicht nach Regen aus. Normalerweise kann man zu jeder Tageszeit Flugzeuge in der Luft sehen, die vom Flughafen meines Nachbarortes gestartet sind. Aber aktuell fliegt sowieso niemand. Deutschland ist abgeriegelt. Hinter der Kirche sehe ich die Traktoren über das Feld fahren. Ich denke, es wird eine gute Ernte, genau wie die Jahre zuvor auch. Einige Menschen beobachte ich, wie sie sich auf den Weg zum Supermarkt machen. Auch ich muss mich jetzt langsam anziehen. Ich arbeite heute wieder, wenn auch nur in Kurzarbeit. Mal schauen, wie viele Autos ich heute verkaufen werde. Gut gelaunt mache ich mich auf den Weg zur Arbeit. Also war doch alles nur ein blöder Traum. Trotzdem entschließe ich mich heute den Bus statt das Auto zu nehmen. So bin ich wenigstens etwas umweltfreundlicher unterwegs. Vielleicht trifft man auch ein paar Bekannte im Bus. Ich denke wir sollten ab und zu weniger egoistisch sein und mehr an die Umwelt denken. Sie ist schließlich unsere Lebensgrundlage.