Unverpackt
Einsendung von Yasmin Abbas, 22 Jahre
Ich will mir ein Eis kaufen. Haben die veganes Eis? Haben sie, glaube ich. Fruchteis. Mal schauen. Ja, haben sie. Erdbeer und Mango. Ich mag keine Mango. Erdbeer hatte ich schon so oft. Egal.
Einmal Erdbeer bitte. Waffel oder Becher? Äh. Waffeln sind nicht vegan. Dann den Becher. Aber der ist aus Plastik. Äh. Haben Sie auch Pappbecher? Genervtes Nein. Äh, okay. Ja dann.. Becher. Halt Moment, ich will keine Miniwaffel drauf.. ja gut ist jetzt zu spät.. nein schon gut, das ist in Ordnung. Achso ehm, ich wollte auch keinen Plastiklöff.. naja ist egal. Ja. Hier bitte schön. Danke. Tschüss.
Ich schaue mein Eis an. Ich seufze. Ich habe keine Tempos dabei. Ich spüle meinen Becher kurz im Rhein aus, nachdem ich das Eis gegessen habe und stopfe ihn mit dem kleinen Löffel in meine Hosentasche. Zuhause lege ich beides auf mein Regalfach. Dort liegt bereits ein anderer Eisbecher. Den hätte ich auch mitnehmen können.. nächstes Mal.
Ich öffne die Kühlschranktür. Es riecht komisch. Meine zwei Tomaten sind schlecht geworden. Moment. Nicht ganz. Ich schneide die schlechten Teile ab und werfe sie in den Biomüll. Sie fallen auf eine kleine Wasserflasche. Ich starre kurz in den Müll. Zwischen Bananenschalen und Kaffeefiltern sehe ich auch eine Toastverpackung und Sardinendose. Ich klappe den Müll zu. Ich seufze. Mein Mitbewohner macht das immer wieder. Grade ist er nicht da.
Ich lege die guten Tomatenteile in den Kühlschrank zurück. Ich schaue nochmal rein. Ich habe Hunger. Das Eis ist schon weg. Mein Fach ist auch halb weg. Ich könnte was bestellen. Pizza. Nein, da ist immer Käse mit dabei. Pizzabrot? Aber Mindestbestellwert. Softdrink? Reicht trotzdem nicht. Außerdem ungesund. Ja okay, Pizzabrot ist auch ungesund. Aber der Hunger. Mein Magen grummelt. Ich schaue weiter in den Kühlschrank. Die eingepackten Oliven meines Mitbewohners schwimmen in einer trüben Flüssigkeit. Ich glaube das ist es, was so komisch riecht. Das waren nicht die Tomaten. Ich schaue tiefer rein. Meine andere Mitbewohnerin hat noch ein bisschen Feta. Ich presse die Lippen aufeinander. Ich klappe den Kühlschrank zu. Ich gehe einfach direkt schlafen und morgen einkaufen.
Am nächsten Tag stehe ich im Rewe. Auf dem Band kullert alles umher. Mein Bauch meldet sich. Ich habe schlechte Laune. Mein Lieblingshaferdrink war ausverkauft. Dafür habe ich Wein mitgenommen. Einen guten. Zuhause habe ich noch schlechtere Laune. Kochen dauert. Ich koche schneller. Ich mache mir Musik an. Und fertig. Im Wohnzimmer sitzt meine Mitbewohnerin und raucht. Sie hört auf, als ich anfange zu essen. Sie drückt die Zigarette in einem Aschenbecher neben sich aus und wir unterhalten uns. Mein Mitbewohner kommt rein. Er stellt sich ans Fenster und raucht. Es regnet. Die Kippen und Aschenbecher auf der Fensterbank sind nass. Wir unterhalten uns. Ich schaue meinen Teller an. Jetzt habe ich auch Lust zu rauchen. Aber ich tu's nicht. Sonst kommt wieder ein Kommentar.
Am Abend gehe ich an den Rhein. Ich habe den Wein dabei. Es nieselt noch ein bisschen. Die anderen freuen sich, haben aber selbst sehr viel dabei. Auf dem Boden liegen Chipspackungen und Flaschen. Ich kneife die Lippen zusammen.
Ein paar sprechen davon, dass sie morgen auf eine Demo gehen wollen. Ich komme auch mit. Dafür wollte ich noch ein Schild basteln. Ich frage die anderen, was sie auf ihre draufschreiben. Maria setzt sich für faire Preise beim Fleisch- und Milchproduktkonsum ein, damit es grade für Studis weiterhin bezahlbar bleibt. Kann sich ja keiner leisten, so ein Biosteak. Jamal möchte etwas zur Mülltrennung beitragen und wird sich komplett mit Plastikmüll verkleiden. David findet es ungeheuerlich, dass in einer herkömmlichen Massentierhaltung auf einen Quadratmeter etwa 26 Hühner kommen. Da muss sich was ändern. Er lebt selbst in einer 11qm Wohnung und kann sich das kaum vorstellen. Danach erzählt er davon, wie viel mehr Matches er auf Tinder bekommt, seitdem er das fridaysforfuture Logo drin hat. Und die Mädels, die er einlädt, kommentieren anscheinend immer seine Zimmergröße.
Ich schaue nach oben. Der Nieselregen tropft auf mein Gesicht und ich atme tief ein.
Irgendwann werde ich müde und beschließe den Heimweg anzutreten. Ich bin ziemlich angetrunken. Meine Weinflasche ist leer. Ich gehe ein Stück und sehe mich um. Grade ist niemand in der Nähe. Ich schaue die Flasche kurz an - und werfe sie dann hoch. Sie zerschellt auf dem Boden und ich zucke zusammen. Dann laufe ich schnell nach Hause. Auf dem Weg denke ich immer noch über einen guten Plakatspruch nach. Ich komme an einem Dönerladen vorbei. Mein Magen knurrt. Aber die haben nichts ohne Fleisch. Ich gehe weiter. Die Schlange ist sowieso zu lang. Ich denke an die Demo. Vielleicht nehme ich auch einfach ein altes Plakat von früheren Klimastreiks. Aktuell sind sie ja immer noch.
Autorin / Autor: Yasmin Abbas, 22 Jahre