Früher war mehr
Einsendung von Mina A. Henke, 13 Jahre
Der Schnee und das Eis glänzen um die Wette. Alles ist weiß hier. Außer dort. Wie ein Schmutzfleck scheint mir die Pfütze Wasser dort, wo kein Eis mehr ist. Einst. Aber heute nicht mehr. Heute gähnt ein tiefes Loch im Boden, in der Nähe der Küste.
„Warte Yuki! Dort ist es gefährlich! Das Eis wird immer dünner“, rufe ich meinem kleinen Bruder hinterher, der mich geflissentlich ignoriert und trotz meiner Warnung zur Küste hinunterläuft.
„Keine Sorge, Bruder. Das Eis hält doch. Hat es immer.“ Er tollt fröhlich um einen nahegelegenen Schneehügel herum. „Sei trotzdem vorsichtig. Bitte!“ „Jaja, schon verstanden.“ Das klingt nicht wirklich überzeugend. Das Meer breitet sich aus und droht uns alle zu verschlucken.
Plötzlich höre ich ein unheilvolles Knacken hinter dem Schneehügel.
„Yuki?!“
Keine Antwort. Mir wird heiß und kalt zugleich. So schnell ich kann, laufe ich meinem kleinen Bruder hinterher, doch zu spät. Mein Bruder ist nicht mehr da. Hinter dem Schneehügel erwartet mich nur ein Loch. Ein tiefes Wasserloch. Ich sehe noch die letzte Luftblase an der Oberfläche zerplatzen.
Stimmt. Das Eis hält. Hat es immer. Nur heute nicht. Heute brach es.