Erst Freund_in, dann Geliebte_r
Zwei Drittel der Liebespaare hatten zuerst eine platonische Freundschaft, so eine kanadische Studie
Ein Blick, ein Lächeln und schon ists geschehen - viele glauben, dass eine Liebesbeziehung genauso anfangen müsste. Liebe auf den ersten Blick eben. In der Wirklichkeit beginnt eine Liebesbeziehung aber viel häufiger als Freundschaft. Es sind sogar zwei Drittel der romantischen Beziehungen, die einen platonischen Beginn haben, so eine neue kanadische Studie.
Diese freundschaftliche Anbahnung einer Romanze wird von der Forschung allerdings oft übersehen. Bei der Untersuchung einer Auswahl früherer Studien über Beziehungsanfänge fanden die Studien-Autor_innen heraus, dass sich fast 75 Prozent auf den romantischen Funken zwischen Fremden konzentrierten. Und nur acht Prozent der Studien untersuchten Liebesbeziehungen, die sich aus einer Freundschaft entwickelt hatten.
"Wir verstehen vielleicht sehr gut, warum sich Fremde zueinander hingezogen fühlen und anfangen, sich zu verabreden, aber so beginnen die meisten Liebes-Beziehungen nicht", so Hauptautor Danu Anthony Stinson, Psychologieprofessor an der Universität von Victoria, Kanada.
Sein Team analysierte Daten von fast 1.900 Universitätsstudent_innen und Erwachsenen. 68 Prozent gaben an, dass ihre aktuelle oder letzte romantische Beziehung als Freundschaft begann. Es gab kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern, dem Bildungsniveau oder den ethnischen Gruppen, aber die Rate der Freundschaftsanbahnung war unter den 20-Jährigen und innerhalb der LGBTQ+-Gemeinschaften sogar noch höher: 85 Prozent dieser Paare hatten zuerst eine Freundschaft.
Unter Universitätsstudent_innen pflegten die "Zuerst-Freunde-Beziehungen" ein bis zwei Jahre lange Freundschaften, bevor sie eine romantische Beziehung begannen. Und die überwiegende Mehrheit dieser Teilnehmenden berichtete, dass sie ihre Freundschaften nicht mit romantischen Absichten eingegangen waren oder sich angezogen gefühlt hatten. Und laut Stinson zeigt die durchschnittliche Länge der Freundschaften vor der Romanze an, wie wahrscheinlich es ist, dass die Paare echte, platonische Freunde waren, bevor sie zu einer Liebesbeziehung übergingen.
Fast die Hälfte der Student_innen gab auch an, dass sie eine Freundschaft als den besten Weg ansehen, eine romantische Beziehung zu entwickeln. Damit wird diese Optionen weitaus häufiger gewählt als z.B. ein Kennenlernen auf einer Party oder online.
Angesichts der Tatsache, dass so viele Liebesbeziehungen als Freundschaft beginnen, würde Stinson gerne weitere Studien sehen, die diese Art der Beziehungsanbahnung untersuchen. Sie hofft auch, dass diese Forschung die Menschen dazu bringt, ihre vorgefassten Meinungen über Liebe und Freundschaft zu überdenken. Uns würde ihrer Meinung nach viel zu oft beigebracht, dass Romantik und Freundschaft unterschiedliche Arten von Beziehungen sind, die sich auf unterschiedliche Art und Weise bilden und unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen.
"Unsere Forschung legt nahe, dass die Grenzen zwischen Freundschaft und Romantik verschwommen sind", sagt Stinson, "und ich denke, das zwingt uns dazu, unsere Annahmen darüber zu überdenken, was eine gute Freundschaft, aber auch was eine gute romantische Beziehung ausmacht."
Die Studie wurde in der Social Psychological and Personality Science veröffentlicht.
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Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung